Sommermond
nachgedacht hatte. Im ersten Moment schämte er sich für seine Worte, doch schon im nächsten war er sich sicher, mit seiner Aussage einen perfekten Grundstein für ein darauffolgendes Gespräch gelegt zu haben.
Zunächst geschah nichts, doch dann wandte Alex sich um, und mit einem Mal war seine geistige Abwesenheit verschwunden. Nun erkannte Ben ihn wieder. Er spürte Erleichterung in sich aufkommen, als Alex‘ Augen endlich das widerspiegelten, was er so an ihnen liebte.
„Sorry!“, meinte Alex, ließ vom Bild ab und trat zielstrebig auf Bens Bett zu. Den Stuhl, der daneben stand, drehte er um 180 Grad und setzte sich so, dass er seine Arme auf der hölzernen Lehne überkreuzen konnte.
„Schon okay“, tat Ben ab und lächelte. Es war ein ehrliches Lächeln. Jetzt, wo Alex ihm wieder näher war, überwog das Kribbeln in seinem Inneren. Es machte ihn sogar etwas benommen.
„Wie lange musst du noch hier bleiben?“, fragte Alex.
Er wirkte noch immer unsicher. Ben wusste, dass Alex mit der Situation überfordert war. Noch nie zuvor hatte der Blonde eine Beziehung gehabt, sich nur manche Nächte mit ein paar Mädels vertrieben. Plötzlich erkannte er dann, dass er schwul war und begann fast zeitgleich seine erste Beziehung. Viel Zeit hatten sie bisher nicht miteinander verbringen können. Die Probleme waren einfach zu groß gewesen und kurze Zeit später war es zu dem tragischen Vorfall gekommen. Zu dem Vorfall, wegen dem Ben nun an ein Krankenhausbett gefesselt war.
„Noch ein paar Tage“, antwortete Ben. „Die wollen mich noch ‘ne Weile beobachten. Ich hab‘ irgendwelche inneren Verletzungen und die Lunge hat wohl ordentlich was abgekriegt und muss sich erst mal wieder regenerieren.“ Er pausierte einen kurzen Moment. „Der Arzt meinte, dass ich um ein Haar gestorben wäre.“
Kaum hatte er ausgesprochen, lachte er dumpf auf. Es glich einer leisen, aber dennoch wahnsinnigen Lache, die nur umso mehr verdeutlichte, dass er den ganzen Unfall noch nicht verarbeitet hatte. Aufgrund von Alex‘ entsetztem Gesichtsausdruck riss er sich allerdings zusammen und räusperte sich verlegen. Als er Alex mitfühlend anschaute, wich dieser seinem Blick aus und begann stattdessen etwas Schmutz von seiner Hose zu kratzen.
In den nächsten Minuten schwiegen sie. Ben erwartete, dass dieses Mal Alex zu einem Gespräch ansetzte, doch das tat er nicht. Offenbar hatte Bens Lachen ihn gekränkt, vielleicht auch erschrocken. Ben beobachtete den Blonden. Dabei fühlte er plötzlich eine enorme Sehnsucht in sich aufsteigen. Er sehnte sich nach Alex‘ Nähe, nach richtiger Nähe. Dabei fiel ihm allerdings auf, dass er nicht einmal wusste, wie es um sie stand. Waren sie noch zusammen? Hielt ihre kurze Beziehung dem Stand, was geschehen war? Außerdem fragte er sich, wie es für Alex bei der Polizei gelaufen war. Ben hatte viele Fragen, brachte aber keine einzige davon über die Lippen. Nein, erst einmal wollte er Gewissheit darüber, was zwischen ihnen war. Und so schwer es auch war, musste er handeln, um diese Gewissheit zu erhalten.
Vorsichtig richtete er sich auf. Doch sofort zerrte ihn ein stechender Schmerz zurück in die Matratze. Er kniff die Augen zusammen und wartete, bis der Schmerz nachließ. Als er seine Augen wieder öffnete, sah er, wie Alex ihn beobachtete, den Kopf aber gleich darauf senkte.
„Scheiße …“, fluchte er leise. Ben hatte Mühe, ihn zu verstehen. „Ich dachte echt, du würdest mir unter den Händen wegsterben.“
Es waren nur wenige Worte, doch sie trafen Ben mitten ins Herz. Er musste schlucken und war nicht fähig, etwas zu erwidern.
„Da war so scheiße viel Blut!“, fuhr Alex fort und machte wilde Gesten mit seinen Händen. „Ich hatte noch nie so ‘ne Panik.“
Ben presste seine Lippen so fest zusammen, dass jegliches Blut aus ihnen wich. Vor seinem geistigen Auge versuchte er sich vorzustellen, was Alex ihm gerade erzählte, aber es gelang ihm nicht. Die Erzählung klang zu fern und er selbst fühlte sich fremd als Opfer. Alex‘ Worte hallten in ihm wider und rüttelten an seinem Verstand. Erst nach einer ganzen Weile schaffte er es schließlich, sich für einen kurzen Moment an das Geschehen zu erinnern. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er sich auf dem Boden liegen und über sich Alex, wie er ihn anflehte, durchzuhalten. Dann brach der Film ab und hinterließ eine beängstigende Leere.
„Ich auch nicht“, sagte er schließlich.
Er sprach so ruhig, dass er sich
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