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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Buettner
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 hätte es erheblich
besser getroffen.
    Am
Strand war jede Menge los. Kein Mensch hatte etwas anderes im Sinn als sich
kopfüber ins Wasser zu stürzen. Wir aber weilten mit unseren Gedanken noch
immer bei Rosa, meiner Mutter, während wir Handtücher und Decken an den Strand
schleppten und dort Ausschau nach einem lauschigen Plätzchen hielten, was
allerdings völlig aussichtslos war.
    „Rosa
war für uns alle da“, sagte Betty, während sie sich barfuß und langsam durch
den feinen und heißen Sand bewegte, selbst hier hatte sie noch einen
unglaublich grazilen Gang. „Für mich genauso wie für unsere anderen
Geschwister. Wenn sie aus der Schule kam, hat sie sich an den Herd gestellt und
für die ganze Familie gekocht. Sie war fast so was wie unsere Mutter.“
    „Ein
achtjähriges Mädchen?“, sagte ich ungläubig. Ich fragte mich, warum meine
Mutter selbst mir nur bruchstückhaft von ihrer Kindheit erzählt hatte.
Vielleicht hatte sie so auch mich auf Abstand gehalten.
    „Du
hast schon Recht, dich zu wundern“, meinte Betty. „Was Rosa leisten musste, war
der reine Wahnsinn.“
    Wir
hielten noch immer Ausschau nach einem geeigneten Liegeplatz. Ich sah ein paar
Leute aus unserer Schule, denen ich jetzt lieber nicht begegnen wollte,
darunter auch Dean. Ich versuchte unauffällig, Betty in eine andere Richtung zu
drängen.
    „Ich
musste ja noch gefüttert und gewickelt werden. Aber sie hat das alles
geschafft. Unglaublich, nicht wahr?“
    Obwohl
mich brennend interessierte, was sie sagte, hörte ich jetzt nur noch mit halbem
Ohr zu. Dean in meiner Nähe zu wissen gehörte für mich nicht zu einem
unbeschwerten Nachmittag am Strand. Doch Betty lief ihm und seinen Leuten
praktisch direkt in die Arme. Ich fühlte mich machtlos.
    „Sonst
würde ich heute wohl kaum hier sein“, fuhr sie unbeirrt fort. „Unser
Vater  musste von früh bis spät schuften und wenn er abends nach Hause
kam, lag nichts mehr drin als Essen, Bier trinken und dann tot ins Bett fallen.
Das waren andere Zeiten damals. Heute leben wir dagegen im Paradies.“
    „Findest
du?“, fragte ich und hatte keine Ahnung, was an einem Nachmittag  in Deans
Nähe  paradiesisch sein sollte.
    „Na
hör mal“, sagte Betty, blieb wieder stehen und sah mich empört an. „Deine
Mutter musste ab acht eine erwachsene Frau sein. Einen kompletten Haushalt
schmeißen und all das. Und jetzt guck dir mal das hier an: Sonne, Strand und
Freizeit, soweit das Auge reicht.“
    Ich
aber sah nur eins: dass Dean uns jetzt auch entdeckt hatte. Mit seinem
schmierigsten Grinsen gaffte er zu uns herüber. Wir gingen an ihm vorbei und
ich tat, als würde ich weder ihn noch die anderen kennen. Luisa war auch dabei.
Keiner gab einen Ton von sich.
    Endlich
entdeckte Betty einen Platz zwischen zwei winzigen Sanddünen, der ihr zusagte.
Dort breiteten wir Decken und Handtücher aus.
     „Um
aber auf deine Ausgangsfrage zurückzukommen ...“, begann Betty, als wir saßen.
    „Welche
Ausgangsfrage?“
    „Ob
dein Vater dich tatsächlich in ein Heim geben wollte.“
    „Ach
so, ja. Und?“ Ich tat so cool wie möglich, aber mein Adrenalin-Spiegel
schnellte urplötzlich in die Höhe.
     „Das
hätte er nie getan“, sagte sie entschlossen. „Schon wegen Rosa nicht. Ich
glaube, auf seine Art hat er sie geliebt.  Und ich weiß, was für eine Mutter Rosa war. Unter keinen Umständen hätte sie ihr Kind weggegeben. Nur über ihre
Leiche.“
    „Was
ja auch der Fall gewesen wäre“, erwiderte ich trocken.
    „Entschuldige“,
sagte sie und buddelte mit den Fingern im Sand. „So habe ich es nicht gemeint.“
    „Natürlich
nicht. Ist schon in Ordnung.“
    „Mit
Sicherheit“, fügte sie schließlich hinzu,  „hätte er dich aber auch sonst
niemals in ein Heim gegeben. Er hat auch dich sehr geliebt.“
    In
diesem Moment fiel ein Ball auf meine Decke. So ein Sonnencreme-Wasserball.
Gerade wollte ich ihn genervt wegkicken, als plötzlich Luisa vor mir stand.
    „Hallo
Julian“, sagte sie und strahlte mit der Sonne um die Wette. „Hat dich mein Ball
getroffen? Tut mir echt Leid .“
    Nebenbei
grüßte sie Betty, fast ohne sie anzusehen. Betty grüßte nicht zurück.
    Blödsinnigerweise
hielt ich das Plastikteil fest und starrte Luisa an wie das achte Weltwunder.
    „Gibst
du ihn mir denn trotzdem zurück?“, fragte sie und lächelte noch immer. Sie
hatte unheimlich schöne, grünlich schimmernde Augen, fast wie Betty.
     „Ach
so, na klar, hier“, stammelte ich vor mich

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