Sommerträume in Marbella
fröstelte. Fragend sah sie Silas an.
„Das Hotel hat eine Privatkapelle, in der die Familie, der das Haus ursprünglich gehörte, die Messe abhielt. Eine Bedingung im Kaufvertrag war, dass in der Kapelle immer Kerzen brennen müssen und sie allen offen steht, die hier beten und Gott danken wollen.“ Silas lächelte Julia an, als sie eine große Doppeltür aus massivem Holz erreichten. „Ich bin mit dir hierher gekommen, um zu danken und weil ich bei der Trauung gespürt habe, dass du an die Kirche auf Amberley gedacht hast.“
An seiner Hand führte Silas Julia in die Kapelle. Ihre Schritte hallten auf dem abgetretenen Steinboden. Schweigend gingen sie an den leeren Bankreihen vorbei zum Altar, hinter dem ein Buntglasfenster den Kerzenschein widerspiegelte. In dem Raum roch es nach Alter, Feuchtigkeit und Weihrauch. Silas zog erst ihren und dann seinen Ring ab und gab Julia seinen. Wortlos steckten sie sich noch einmal die Ringe an. Dies war weder ihre Familienkirche noch ihre Religion, aber die Spiritualität des Ortes berührte Julia tief. Als wäre er ebenso wie sie von Ehrfurcht und Demut ergriffen, stand auch Silas mit gesenktem Kopf da.
„Danke, Silas.“
Er schloss die Tür ihrer Suite, drehte sich zu Julia um und zog fragend die Augenbrauen hoch. „Wofür?“
„Für das, was du gerade getan hast. Die Kapelle. Dass du verstanden hast, was ich empfunden habe. Alles.“
„Ich habe das Abendessen schon bestellt. Wenn du dich vorher noch umziehen willst, dann beeil dich.“
Natürlich war es albern, enttäuscht zu sein. Noch alberner war es, gekränkt zu sein, weil er das Thema wechselte und sie abwürgte, als würden ihn ihre emotionalen Worte ärgern. In der Kapelle hatte sie sich ihm so nah gefühlt, doch jetzt spürte sie plötzlich, wie er sich von ihr distanzierte.
Sein Handy klingelte, er nahm den Anruf entgegen, und Julia hörte eine Frau mit mädchenhafter Stimme affektiert rufen: „Silas, Darling! Da staunst du, was? Ich bin’s, Aimee!“ Augenblicklich wandte er sich ab und ging nach draußen auf den Balkon, so dass Julia nicht verstehen konnte, was er sagte.
Aimee DeTroite war eine reiche New Yorker Erbin, deren sexuelle Abenteuer für viel Promiklatsch gesorgt hatten. Private Videos, die sie beim Sex mit verschiedenen Partnern zeigten, waren im Internet aufgetaucht, angeblich, nachdem sie aus ihrer Wohnung gestohlen worden waren. Aimee hatte den Ruf, eine extrem schwierige und verwöhnte junge Frau zu sein. In einigen Artikeln wurde behauptet, ihre berühmten Wutanfälle würden vom weißen Pulver ausgelöst, Aimee dagegen erklärte sie damit, dass sie „bipolar“ sei.
Natürlich kennt Silas andere Frauen, ist mit Frauen befreundet und hat Geliebte gehabt, sagte sich Julia tapfer. Dass eine von ihnen ausgerechnet jetzt anrief, war schlechtes Timing, aber dafür konnte sie nichts und er auch nicht. Und jemanden „Darling“ zu nennen, bedeutete heutzutage überhaupt nichts mehr. Das tat jeder.
Draußen auf dem Balkon umfasste Silas das Handy fester. Er hatte keine Ahnung, woher Aimee seine neue Nummer hatte.
„Silas, wie konntest du mir das antun? Wie konntest du dich mit einer anderen verloben, obwohl du weißt, dass ich dich über alles liebe? Ich werde nicht zulassen, dass sie dich bekommt. Du gehörst mir, Silas. Mir!“
Ihre Stimme war lauter geworden. Als er das Handy ausschaltete, fing sie gerade an, ihn hysterisch anzuschreien. Grimmig blickte er ins Schlafzimmer und fragte sich, wie viel Julia gehört hatte. Aimees Anruf hatte ihm gründlich die Laune verdorben. Was völlig normal war. Natürlich wollte er nicht, dass Julia mitbekam, wie er in ihrer Hochzeitsnacht von einer anderen Frau angerufen wurde. Das erklärte jedoch nicht ausreichend, warum er dermaßen wütend war, dass Aimee in seine Privatsphäre mit Julia eingedrungen war.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Julia so gelassen wie möglich, als Silas mit finsterer Miene ins Zimmer zurückkam.
„Alles bestens“, erwiderte er kurz angebunden. „Warum fragst du?“
„Nur so“, flunkerte Julia unglücklich.
Ich gehe mit der Situation sehr schlecht um, ärgerte sich Silas. „Ich hatte vergessen, dass ich Aimee versprochen hatte, Karten für eine von ihr organisierte Wohltätigkeitsveranstaltung zu kaufen.“
Julia rang sich ein Lächeln ab. „Ich weiß, dass du mal eine Beziehung zu ihr hattest.“
„Ich hatte niemals etwas mit ihr“, widersprach Silas heftig. „Ich kenne sie, das ist
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