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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Braunkohlenqualm – und wenn’s nur der ist. Sie hatten drüben eine Andersartigkeit entwickelt, die uns die Gewißheit gab, es besserzuhaben, und das war natürlich angenehm.
    Zur Wiedervereinigung im TV:
    Gleich nach der Öffnung der Grenze sind wir rüber, bei Lübeck. Zwei Tee für 26 Pfennige bekamen wir, das war meine erste Beobachtung. Wir sind durch das Dorf gegangen, alte Eckkneipe, HO, komische Stimmung. Da bekamen wir den Tee für 26 Pfennige, und da haben wir erstens in West bezahlt und außerdem eine Mark hingelegt.
    Einige Anthologien von DDR-Schrifttum. Bösartiges von Rolf Schneider über Nürnberg. Ich kaufte die Bücher bei Henning in HH. Dort auch einen«Block»für 22,- (!), ziemlich zerlesen, ein«Alles unter einem Hut»und einen Leip mit Signatur. -«Jan Himp und die kleine Brise», was für ein schöner Buchtitel, aber das Buch taugt nicht viel. Beim«Tanzrad»ist es genau umgekehrt, schlechter Titel, gutes Buch.
    Die erobernden Amis wollten nicht glauben, daß er der Texter von«Lili Marleen»ist (war).
     
    Das Gefäß SU ist zerschlagen. Nun ergießt sich der Inhalt stinkend in die Ebene.
    Pleitgen sagt, er habe von Perm aus 360 km fahren müssen, um den ersten freien Bauern zu sehen.
    Was hat er denn erwartet? Trug der betreffende Mann eine andere Mütze? Oder ein Abzeichen?
    In der FAZ wird Gorbatschow als Flickschuster bezeichnet:«Gorbatschow wäre zu wünschen, daß er seine letzte Chance nicht verpaßt: zu einer Zeit abzutreten, da er noch ein Quentchen Macht hat, damit der Rücktritt noch etwas wert ist.»
     
    Hildegard gestern über Stolpe:«Das ist ja noch ein Kavalier alter Schule!»Die Knollennase steht dagegen. – Weil sie eine so gute Meinung hat von dem Herrn, hab’ ich mich heute mal wieder rasiert und gut angezogen. Zum Priester wär’ ich wohl zu klein, hat sie auch gesagt. Nun, ich könnte ja ein Priester für Liliputaner sein. Lilje war auch klein von Wuchs.
    «Echolot»: 3. Februar fertig, 4. vorbereitet, sehr viel Material. Stalingrad versinkt, statt dessen nähert sich die Weiße Rose. In der Nacht vom 3. auf 4. Februar haben Scholl und Graf die Parolen an die Wände geschrieben. Dann kommt die Sportpalast-Rede Goebbels’.
    Ich kann mich nur noch sehr dunkel an das Frühjahr 1943 erinnern. Daß ich die«Berliner Illustrirte»las, auf dem Fußboden liegend, bei Tisch fiel das Wort«Stalingrad», die armen Jungen, das Kränzchen der Mutter irgendwie. Das Wochenschaubild der übriggebliebenen deutschen Soldaten, wie sie in weiter S-Kurve durch Schnee und Eis in Gefangenschaft abgeführt werden. Manche lachen. Andere haben sich mit Gepäck vollgeladen. 5000 blieben übrig. – Das andere Bild dagegenhalten: der Zug der deutschen Gefangenen in Moskau, im Sommer. Warm war es. In den ersten Reihen die Generäle. Wassersprengwagen in der letzten Reihe. (Demgegenüber war das heldische Hinschmeißen der deutschen Fahne auf dem Roten Platz am Tag des Sieges zu eindeutig für die Kameras gemacht. Hitler selbst hatte sich über die Infanteriefahnen abfällig geäußert.)
    Dann, das muß aber schon März gewesen sein, las Studienrat Förster unbewegt die Namen der Schüler vor, die zu den Flakhelfern eingezogen wurden, und ich war nicht dabei, weil zu jung! Um Tage ging es.
    Im Januar 1943 der 70. Geburtstag meines Großvaters. Letztes Familientreffen in Hamburg. Freundinnenzeit war noch nicht.
     
    April’43 war ich in Breslau. Die lange Bahnfahrt von Stettin nach Breslau, in Eilzügen, neben der Oder entlang. Zug war ganz leer. Rückfahrt über Dresden. In Zobten lag noch Schnee. In Breslau war es warm.
    Und als ich nach Rostock zurückkam, war gerade ein Bombenangriff gewesen. Ich hatte das gar nicht geahnt, kam spätabends an, der Schalterbeamte:«Ja, ja …», Schläuche lagen in den Straßen. Motorpumpen. Die Luftmine Ecke Hermannstraße, katholische Kirche. Meine Schwänzzeit hatte noch nicht eingesetzt. Dienst in der Spielschar, St.-Georg-Schule, ich sang 2. Stimme. Siehe«Tadellöser & Wolff».
    Zu Weihnachten hatte ich HJ-Hose angehabt, Ib beanstandete das, aber ich hatte gar keine andere.
     
    Konfirmation war 1944?
    Mai 1943 heiratete Ulla. Sie zogen nach Lübeck.
    Juni Mutters Operation.
    Der Hanne-Sommer?
    Saß-Geschwister.
    Da begann das Schwänzen.
    Ich bekam im Sommer die Mansarde von Ulla.
    Juli Angriff auf HH. Vater in Anklam.
     
    Im TV die Gerichtsverhandlung gegen den Kennedy-Neffen wegen«Vergewaltigung», wahrscheinlich hat er ihr bloß einen Kuß

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