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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Nartum Di I. Januar 1991, Neujahr, Sonne, kein knirschender Schnee
     
    Nationalfeiertag der Republik Kuba 1
    Flüchtlinge aus Moçambique landen in Finnland! Wann tauchen wohl die ersten Finnen in Moçambique auf? – Moçambique: der Schauplatz von Massenmorden an Indern, war das 1962? Damals jagten sie die Inder raus, wenn sie sie nicht gar totschlugen. Alles schon vergessen? Es gibt Fotos davon, wie die Inder, die sich wohl sehr breitgemacht hatten in dem Land, mit flatternden Burnussen vor dem schwarzen, säbelschwingenden Mob fliehen. Wenn sie die tüchtigen Inder dagelassen hätten, hätten die Moçambiquer jetzt wahrscheinlich nicht Asyl suchen müssen in Finnland.
    Die ganze Weltgeschichte dreht sich um den Satz: Wenn meine Tante Räder hätte …
    Wie die Eskimos sich wohl über die ersten europäischen Schiffbrüchigen gewundert haben! Im 19. Jahrhundert. Mit Zylinder und Uhrkette? Jetzt sind es womöglich die Eskimos, die mit Zylinderhut herumlaufen, und die weißen Pipelineforscher wie die alten Eskimos, die sich übrigens selbst ganz anders nennen. – Hübsche Schnitzereien fertigen sie an, doch meistens sollen sie betrunken sein. Aber ich will nichts gesagt haben. Ob’s da auch ein Goethe-Institut gibt?
    Das Mozartjahr wird eingeläutet. Wie beim Pferderennen, da läuten sie doch auch? Oder ist es die letzte Runde, die mit einer Glocke angezeigt wird? Für unsereinen wird jedenfalls hinterher geläutet, mit einer hellen Totenglocke.
    Es gibt wohl keinen größeren Gegensatz als Moçambique und Mozart. Mit Entwicklungshilfe wird in Moçambique bereits ein philharmonisches Orchester entstanden sein. Elfenbein für Taktstöcke haben sie selbst.
    Moçambique: hab’ nachgesehen, schwärzere Menschen gibt’s nicht auf der Welt. Mit Tellern in der Lippe und Messingringen um den Hals. Was machen sie mit den Flöhen, die daruntergeraten? Wenn ein Finne mit seiner bunten Zipfelmütze so ein Kind des Urwalds heiratet, das muß lustig sein. Da kommen sie beim Tanzen sicher durcheinander.
    Die Finnen schliffen sich Dolche, mit denen sie nächtens Russen die Gurgel durchschnitten. Sie reden finnisch-ugrisch. Gibt es Ugrier? Ungarn sind damit gemeint. Ob die einander verstehen? Wohl nur beim Saufen. – Früher waren die Finnen mal sehr deutschfreundlich. Mannerheim trug sogar das Ritterkreuz.
    Der Winterkrieg gegen die Russen. Daß die Russen ihn verloren, hat Hitler ermutigt, 1941 gegen die Sowjets loszuschlagen. Diese altertümlichen Tanks. Aber die Russen haben auch gelernt aus der blamablen Niederlage. Später haben die Finnen uns dann«verraten», wofür wir ihnen die Dörfer niedergebrannt haben.
     
    Gestern nachmittag kam Hochhuth, ein Hamburger Buchhändler, der bei der Wieser-Affäre trotzig seine Schaufenster voll Kempowskis gestellt hatte. Er wollte mir jetzt ein häßliches Gemälde mit einer Weintraube drauf verkaufen, irgendwie ein Samariter-Akt zugunsten eines Jungfilmers namens Karol Schneeweiß, den er mitbrachte, blond wie sein Name. Wir aßen Fondue und redeten bis weit nach Mitternacht über seine Filmversion der«Hundstage». Sahen auch seinen Film (Rohschnitt) über Burkhard Driest, mit dem ich zweierlei gemeinsam habe: Erstens, er hat gesessen, und zweitens, er ist aus Göttingen. Die Frauen stehen auf ihn, wegen seiner Akne, von welcher ich keine Spuren aufweise. Soll ich«leider»sagen?
    Heute früh ließ ich’s ruhig angehen. Schrieb etwas und nachmittags langer Spaziergang mit Hildegard, dann wieder geschrieben und Klavier. Die Schumannsche«Träumerei»soll man jetzt rasend schnell spielen, mit einem Affenzahn. Ich spielte sie weder langsam noch schnell, ich spielte sie gar nicht.«Glückes genug»neulich im Radio, so schnell, daß ich’s nicht erkannte. Ich dachte: Was spielen die denn da? Und dabei hat meine Mutter es früher doch jeden Tag vom Stapel gelassen und immer mit so viel Gefühl.
    Gegen Abend kam Tanja. Gespräch über bessere«Vermarktung»meiner Bücher. Will sie’s in die Hand nehmen? Dann zwei Seminarteilnehmer, vorzeitig. Sie beteiligten sich an dem Gespräch über Vermarktung, obwohl Diplomingenieur und Volksschullehrerin.
    Müde, abgespannt.
    Ach, wieviel Leute wollten mich schon vermarkten!
     
    Das vorige Jahr begann mit der«Stern»-Affäre, die mich zwar sehr mitnahm, die letzten Endes aber gut ausging. Wer hat ein Interesse daran, mich in die Pfanne zu hauen? Eine Frau aus ROSTOCK soll es gewesen sein! Und ich kenne sie! Ging ein und aus bei uns.«Es ist

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