Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)
Kampfstoffen und biologischen. Diese Leute seien bis heute nicht eingesetzt worden und bildeten eine große Gefahr.
T: Ich habe für eine Schulveranstaltung ein Studententrio engagiert, das einen Sprechgesang aufführt. Als es ans Bezahlen geht, gibt es lange Gesichter. Was, bloß 310 Mark? – Sie hatten mit 3100 gerechnet.
So blamiert man sich sogar im Traum.
Gestern abend rief der Buchbinder an, aus Rostock, er hat nun alle meine Bücher da, einen«Chronik»-Satz für das Rostocker Rathaus, wie soll er sie einbinden? – Ich hätte das hier in Hannover umsonst haben können. Will den Mann nur beschäftigen und ihm was zu verdienen geben.
Blau natürlich. Die«Chronik»soll im Rathaus stehen, im Zimmer des Bürgermeisters. Da gehört sie hin. Vielleicht guckt mal einer rein?
Der Fotograf gestern, von der«Berliner Illustrirten», ein DDR-Mann, sagte, er habe die ganzen Jahre regulär verschlafen. Er wache jetzt erst auf.
Ich sprach zwar nur wenige Leute drüben, aber die Trauer und Gedrücktheit war unverkennbar. Sie (wir) müssen nun die Zeche der 40 Jahre Mißwirtschaft bezahlen.
Modrow ergriff zur Regierungserklärung das Wort. Verkrampft stand er da. Nach ihm der«Bündnis-90»-Mensch sagte zu Recht:«Herr Modrow, Sie sollten sich lieber mit der Aufarbeitung Ihrer Vergangenheit beschäftigen, als hier herumzukritisieren. »
24 Uhr. – Letzte Nachrichten. Eine Kolonne mit 1000 gepanzerten Fahrzeugen nähert sich der saudi-arabischen Grenze. In der Wüste! Sie müssen sich ziemlich sicher fühlen. Eine Panzerkolonne muß man doch sofort genau orten können!«WamS»rief an, ob ich hinter den Amerikanern stehe?
Ich sage:«Ja, hinter den Beschlüssen der UN, und ich finde es gut, daß sie durchgeführt werden.»
Bisher hätten sich nur Shownasen zustimmend geäußert, sagte er.
Wir hatten Heinz Hostnig zu Besuch, Pastors, Dörflers und Schneeweiß. Aßen Fondue im Turm, es war sehr gemütlich. Allein hätte ich Heinz nicht ertragen. Er hat die Rederitis. Bestimmt hätte er den ganzen Abend von Guatemala erzählt. Über Saddam kein Wort.
Interessant sind seine Berichte über den Krieg, er war Panzerfahrer, erzählte vom Pulvergestank in den Dingern und daß sie auf engen Straßen einfach über die Verwundeten hinweggefahren sind. Auch interessant über die kommunistische Unterwanderung des NDR. Aber das hat er alles schon zehnmal erzählt, leider, und ich kann ihm auch nicht helfen. Das Beethoven-Hörspiel hat er damals gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt.«Moin Vaddr läbt»wollte er nicht machen.
2007: Die beiden Hörspiele – von 1982 – gibt es immer noch zu kaufen. Dafür mal 20 Mark auf den Tisch zu legen, so weit reicht die Liebe meiner Anhänger nicht. Selbst sogenannte«Kenner», die mir in ihren Briefen versichern, daß ich doch der Beste bin, kaufen sie nicht.
Februar 1991
Nartum Fr 1. Februar 1991, kalt
Es wächst die Angst. Der bedrohliche Aufmarsch der Iraker und das Zusammenziehen der amerikanischen Verbände. Ihre Flugzeuge haben sie weggeschickt, die Iraker. Irre, ausgerechnet zu den Persern, mit denen sie einen achtjährigen Krieg geführt haben.
Eine Stadt wurde zurückerobert, von der wir gar nicht wußten, daß sie verlorengegangen war.
Der Aufmarsch der Irakis«mache keinen Sinn», heißt es.«Kriminelle Energie»des Despoten, das Wort fiel heute.
Die Friedensdemonstrationen hier bei uns nehmen ab. Die Helden sind müde geworden. Man kann ja auch nicht wochenlang demonstrieren, außerdem sehen sie es wohl irgendwie ein, daß gegen Saddam Hussein kein Kraut gewachsen ist. Die Fotos der vergifteten Landbevölkerung werden von Zeit zu Zeit eingeblendet. Tote Kinder liegen im Rinnstein.
«Gutes Killing», heißt es in einer Panzerausbildungsabteilung.
«Sind Sie ein Schweinehund?»fragt ein amerikanischer Journalist einen Großwaffenhändler. Der lacht.
Den letzten Gaskrieg haben die Italiener geführt, in Abessinien. Da regt sich keiner mehr drüber auf. Da liegt der sogenannte«Schwamm drüber».
TV:«Aspekte», Bericht über Leningrad. Ausschnitt aus einem pathetischen Eisenstein-Lenin-Film («Oktober»). Die Russen dächten noch heute, das seien Original-Wochenschauaufnahmen.
Nun geht’s bald auch Lenin an den Kragen. Die Stalin-Denkmäler liegen schon flach, mit Schneidbrennern schlachten sie die. Im Radio ein russischer Offizier, der die deutschen Hilfssendungen verhöhnt. (Er leitet jetzt ein Altersheim.) Unser Zeugs brauchten
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