Sonea 3 -
hindern sollen, Schlaf zu finden. Er war nach einem langen Tag auf Reisen sehr müde.
Es liegt daran, dass ich so vielen Geistern so nah bin, sagte er sich. Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Er konnte gelegentlich Gedanken auffangen, aber nur, wenn er sich konzentrierte. Nein, es war das, woran er immer denken musste, sobald er seinen Gedanken freien Lauf ließ.
Wenn ich nicht an das Sklavenmädchen denke, dem ich das vergiftete Wasser gegeben habe, und mich frage, ob sie eine Verräterin war, mache ich mir Sorgen darum, dass Tyvara im Kampf getötet werden könnte. Oder ich. Oder Mutter, die in die Kämpfe verwickelt würde – warum konnte sie nicht einfach nach Hause gehen!
Und dann war da Kalia.
Zumindest hatte die Frau aufgehört, ständig »Spion« zu murmeln. Oder sie hatte aufgehört, es zu tun, wenn er sie hören konnte. Sie warf ihm und Tyvara noch immer hasserfüllte Blicke zu, aber das störte ihn nicht. Es war die Art, wie sie Savara ansah, die ihm Sorgen machte.
Niemals mit offenem Abscheu, dachte er. Es ist die Art, wie sie ganz demütig und gehorsam wird, wann immer Savara in ihre Richtung schaut, und dann kneift sie die Augen zusammen und lächelt, wann immer Savaras Aufmerksamkeit abgelenkt ist. Es ist das Gefühl von Erwartung, das ich spüre, jedes Mal, wenn ich mich auf ihren Geist konzentriere.
Bisher hatte er keine deutlichen Gedanken von ihr aufgefangen. Kalia schien in ihrem Denken genauso verschlagen zu sein, wie sie von ihrer ganzen Persönlichkeit her war. Sie hielt ihren Geist still, und ihre hauptsächlichen Gedanken waren kurz und meistens Kritik an anderen. Er konnte nicht mehr zählen, wie oft er das Wort »Idiot!« in ihrem Geist aufgefangen hatte.
Was erwartet sie? Hofft sie, dass Savara scheitern oder getötet wird, oder schmiedet sie tatsächlich Ränke, um dafür zu sorgen, dass das eine oder andere geschieht?
Kalia schlief auf der anderen Seite des Raums. Obwohl er wusste, dass er wahrscheinlich nicht mehr Erfolg damit haben würde, ihre Gedanken zu lesen, als zuvor, beruhigte er seine Atmung und konzentrierte sich. Alles, um seinen Geist von weniger angenehmen Erinnerungen abzulenken. Langsam richtete er seine Sinne nach außen. Von den meisten der Verräterinnen spürte er kaum mehr als ihre Präsenz. Obwohl einige noch wach waren, waren ihre Gedanken zu leise, um sie zu hören.
Dann hörte er eine vertraute Gedankenstimme, und eine Woge der Kälte lief durch seinen Körper. Es war dieselbe Gedankenstimme, die Monate zuvor im Sanktuarium in seinem eigenen Geist gesprochen hatte, dieselbe Präsenz, die Informationen gesucht hatte, die er nicht geben wollte.
… sie werden ihr die Schuld geben. All die Toten. Ich werde dafür sorgen, dass sie es tun … kann Savara nicht regieren lassen … besser, wenn sie in der Schlacht stirbt … das arrangieren … aber wie? Wenn sie schwach ist … Sprecherinnen werden scheitern. Tyvara ist zu jung … töricht, sie auszuwählen … niemand wird ihr folgen … besser, wenn sie ebenfalls stirbt … aber wie?
Lorkin bemerkte, dass er den Atem angehalten hatte, und zwang sich, langsam und leise die Luft auszustoßen. Ich habe mich geirrt. Jetzt, da sie ihre Gedanken nicht mehr unterbewusst verbirgt, sind sie laut und deutlich. Sie werden von Bosheit und Häme verstärkt. Sie wird dafür sorgen, dass Savara in der bevorstehenden Schlacht stirbt. Und Tyvara auch, wenn es nach ihr geht.
Wusste Savara davon? Gewiss sah sie, dass Kalia jede Situation ausnutzen würde, die ihre Position schwächen oder sie töten würde. Aber Savara hatte keine Ahnung, wie weit Kalia zu gehen bereit war.
Wenn ich es ihr sage, werde ich offenbaren, dass ich Gedanken von Menschen lesen kann, die ich nicht berühre. Mutter hat mich davor gewarnt, das zu tun. Er musste zugeben, dass seine Mutter recht hatte. Er wollte nicht, dass jemand erfuhr, dass er seine Gedanken so leicht lesen konnte. Nicht einmal jemand, den er mochte. Selbst wenn jemand verstand, dass seine Fähigkeit sehr begrenzt war, würde er sich trotzdem ständig fragen, welche Gedanken er gerade mitbekam. Dieser Jemand würde sich von ihm fernhalten wollen, für den Fall, dass er etwas Privates oder ein ihm anvertrautes Geheimnis offenbaren könnte.
Würde Tyvara so empfinden? Was würde ich empfinden, wenn Tyvara meine Gedanken lesen könnte? Er sah sie an; sie lag neben ihm, hatte die Augen geschlossen und atmete langsam. Ich vertraue ihr. Warum hatte er ihr dann nicht von dem
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