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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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sein Freund längst eingeschlafen war.
    Die Kirchen an Bord waren verstimmt, dass niemand sie gebeten hatte, die Trauung feierlich zu begleiten. Eine tauchte uneingeladen in Gestalt von Pater Le Coq auf. In seiner bestickten Weste und seinen protzigen Ringen stolzierte er herum und verkündete wortgewaltig den Untergang.
    »Frau Satan, wie geht es Euch?«, grollte er in seinem üppigsten,
sinnlichsten Tonfall. »Uns geht es fabelhaft, mein Fräulein, danke.«
    Eine Brautjungfer kreischte, als er sie mit seinem Blick aufspießte. »Du möchtest wissen, Schwester, wen ich mit Frau Satan meine? Na, wen meine ich wohl?«
    Er wälzte den Blick durch die sich verlaufende Menge und runzelte unschlüssig die Stirn angesichts des Irrwischs, der ihm die winzige, spitze Zunge herausstreckte. »Wen meine ich? Ich meine keinen anderen als die Geheimnisvolle, Schwestern, die hierhin und dorthin rennt mit ihrem großen schwarzen Sack. Wer hat sie schon mal gesehen? Du? Du? Du, Schwester, du? Nein?«
    Le Coq schüttelte den glänzenden Kahlkopf und mimte die stumme Einfalt. - »Keiner hat sie gesehen! Niemand! Weil die Geheimnisvolle, meine Schwestern, niemand anderes ist als die Teufelin, die Hure Babylons, der unsichtbare Feind! Ich sage euch, meine Schwestern, diese Teufelin ist unser aller Feind, weil sie der Feind von Mutter Maria und aller Heiligen von Capella ist! Das sagt euch der Hahn!«
    Die Brautjungfern umdrängten ihn, hänselten ihn, strichen über die speckige Jacke, berührten sein Gesicht, krähten. Ihren Fingern entkommend, öffnete sich der Schnabel des Hahns sperrangelweit. »Brüder und Schwestern, lasst euch erlösen! Oder die Frau mit dem großen schwarzen Sack wird sich eure unsterbliche Seele holen!«
    Im Trivia waren Evangelisten und Vertreter nicht gern gesehen. Rory verschränkte die fleischigen Arme auf der Bar und schob die Unterlippe vor. »Ich finde, du hast hier nichts verloren«, sagte er laut und vernehmlich.
    Le Coq stolzierte auf ihn zu, machte einen langen Schritt vorwärts, der die Hüften tief nach unten brachte. Er streckte den
Arm aus und zeigte auf die Staffel von Bierpumpen. »Herr Wirt, macht Eure Fässer zu! Schraubt die Deckel fest auf Euren Gin und Rum und Whisky …« Die Namen der Spirituosen kamen ihm präzise, aber hasserfüllt über die Lippen. Er wackelte mit dem langen schwarzen Zeigefinger. »Lasst die Gläser leer, Herr Wirt, bis Ihr sie mit dem Wein unseres Bruders Jesus füllen könnt. Dieser Wein vergiftet nicht den Körper, er inspiriert den Geist und gibt ihm eine neue Mitte!«
    Jetzt war er wieder zu voller Länge erstanden, wurde von den Brautjungfern umringt und hatte die langen Arme um ihre Schultern gelegt. Seine antiquierte Brille blitzte, sein Grinsen strahlte neonweiß.
    Rory war nicht beeindruckt. »Gehen Sie. Machen Sie, dass Sie hier rauskommen.«
    Käpt’n Jute saß an ihrem Tisch und lachte. Sie streichelte Sarahs Arm. »Ich finde ihn herrlich«, sagte sie.
    Sarah Zodiak lächelte kein bisschen. Sie stützte ihr langes Kinn auf die Hand. »Und was sagst du zu dieser geheimnisvollen Frau?«
    Käpt’n Jute trank an ihrem Bier. »Die Leute sollten ihre Halluzinationen für sich behalten«, erklärte sie lauter, als es für Sarah nötig gewesen wäre.
    Der Prediger hatte es aufgeschnappt. Er drehte sich um, schüttelte seine Armreifen, ignorierte die hochgezogenen Schultern und gebleckten Zähne von Kenny, die Gesten von Zoe Primrose, die aufgeregt auf ihr Headset klopfte. Der Hahn hüpfte von Fuß zu Fuß heran wie ein Derwisch, wobei die lange malvenfarbene Jacke Gerüche nach Weihrauch und altem Blut verströmte.
    »Käpt’n, drehen Sie bei! Sie steuern auf die Felsen der Vernichtung und Verwüstung zu! Sie bringen unsere Seelen in Gefahr!
Nehmen Sie wieder Kurs auf das heilige Licht von Capella, das am Himmel steht, um uns heimzuleuchten …«
    Le Coq winkte der teerverseuchten Decke des Trivia, als habe sich dieser unheilvolle Stern plötzlich aus dem Blumenschmuck befreit. »Schwestern, Brüder …« Seine großen Hände umfingen die Brautjungfern, trieben sie unter Knistern und Rascheln zusammen. »Capella wird euch vergeben, Kinder, sie ruft euch …«
    Jemand hängte ihm einen Blumenkranz um den Hals. Andere hakten den Hahn unter, reichten ihm eine Kokosnuss aus Kunststoff und wirbelten ihn in einem ausgelassenen Conga über den weingetränkten Boden hinaus auf die Straße, die einfach nur Grüne Laterne hieß. Das Letzte, was man von ihm hörte, war,

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