Soul Kitchen
eine alte, zu große Kapuzenjacke von Illias an und sprang die Treppen runter. Mit seinem letzten Fünf-Mark-Stück erwarb er ein Käsebrötchen mit Salatblatt.
Aufgeregt betrat er den Pizza-Palast. Er grüßte laut in die Runde und erwartete, dass Pavese ihn mit großen Worten und Gesten in die Geheimnisse der Küchenarbeit einweisen würde. Der aber war, wie alle anderen auch, schwer beschäftigt und würdigte Zinos keines Blickes.
Ein braun gebrannter Typ mit Schnauzbart, der seinen Namen nicht nannte, drückte Zinos eine Schürze in die Hand, deutete auf eine Tür, wies ihn mit spanischem Akzent an, seine Sachen in die Kammer zu werfen. Eine Putzfrau, die gerade ihre Feierabendzigarette rauchte, sagte, Sergio habe den Schlüssel dafür. Das sei der mit den schwarzen Haaren. Zinos hängte seine Jacke an die Gästegarderobe.
Die Schürze war frisch gewaschen, hatte trotzdem noch Schmutzflecken und roch nach Grüner Apfel In der Küche amüsierte sich der Spüler über die riesige Schleife, die Zinos gebunden hatte. Er sagte mit einem nicht einzuordnenden Akzent, Zinos sehe aus wie ein Geburtstagsgeschenk.
Pavese kam in die Küche, tätschelte Zinos die Wange und meinte, er solle zunächst die Tagessuppe in Schüsseln verteilen und in der verbleibenden Zeit zuschauen, wie es in der Küche zugehe. Zinos hatte immer nur von oben geschöpft, er hatte die Suppe nie umgerührt, so war ihm entgangen, dass Unmengen von bunten Gemüsestücken in der Tiefe des Topfes ruhten. Pavese schnaufte, murmelte vor sich hin und schüttelte den Kopf. Er befahl, Zinos solle an seinem ersten Tag einfach nur zuschauen – und sonst nichts.
Am nächsten Tag gelang es ihm erstmals in den frühen Abendstunden, eine gerade Brotscheibe zu schneiden. Pavese war beeindruckt, wie man trotz einer so teuren Schneidemaschine so krumme Scheiben hinbekam. Er lachte Tränen. Zinos lernte, dass man den Teig des Brotes nur mit viel Mehl kneten konnte, wobei sich das meiste Mehl auf Zinos und einen Typen namens Rashad verteilte, der neben ihm stand und Gemüse hackte.
Schließlich wurde Zinos für die Spülmaschine eingeteilt. Er sortierte das Geschirr einfach irgendwie ein; niemand hatte es für nötig gehalten, ihm das zu erklären. Pavese war beeindruckt, dass Zinos das Geschirr so unvorteilhaft anordnete, dass nur etwa ein Viertel der üblichen Menge hineinpasste.
Seine letzte Chance war der riesige Topf voll Bolognesesoße. Pavese sagte:
»Stell dich hier hin, rühr dich nicht von der Stelle, rühr einfach um, lass es immer wieder köcheln, dann rührst du weiter. Mehr nicht.«
Diese Arbeit gelang Zinos vielleicht auch deshalb so gut, weil ihn der Duft der Bolognese an den der Hacksoße erinnerte, die seine Mutter stets für den Nudelauflauf zubereitet hatte.
Er versank so sehr in das Rühren mit dem größten Kochlöffel der Küche, dass er alles andere vergaß und schon nach ein paar Tagen sichtbar mehr Muskeln im rechten Arm davon bekam. Von nun an wechselte er die Arme. Was ihn früher nur fett gemacht hatte, würde ihn nun stählen. Er war auf dem richtigen Weg. Und noch dazu war Spaghetti Bolognese mittags und abends das meistbestellte Gericht. Zinos hatte die Bolognese zwar nicht selber gekocht, aber es war erhebend, dass man ihm die Verantwortung dafür übertrug. Er war kein Streber mehr wie früher, sondern ein Typ, der mit Muskelkraft überzeugte.
Jeder Pastateller, den er persönlich gefüllt hatte und den kurze Zeit später eine der hübschen Kellnerinnen leer zurück in die Küche brachte, wurde zu einem heimlichen Triumph.
Bald musste sich Zinos nicht mehr auf das richtige Verhältnis von Rühren und Köchelnlassen konzentrieren. Er verstand plötzlich auch die anderen Abläufe in der Küche, beobachtete, erkannte, setzte alles schnell und richtig um. Bald war er sogar der Beste im Salatwaschen. Nur wenn Zinos den Salat gewaschen hatte, kamen nie Beschwerden über das eine oder andere Sandkorn; und ohne dass es ihm jemand gesagt hatte, entfernte er die äußeren welken Blätter.
Pavese legte Zinos die Hand auf die Schulter und nickte.
»Zu gewissenhaft kann arm machen. Aber du bist ein Guter, du hast dich festgebissen. Weiter so, bald darfst du an den Pizzaofen.«
In den ersten Monaten bei Pavese sprach außerhalb der Küche kaum jemand ein persönliches Wort mit Zinos. Es gab auch keine belegten Brote mehr. Meist ernährte er sich während der Arbeit von Soßen, Brotkanten, gehackten Tomaten und Petersilie. Nach der
Weitere Kostenlose Bücher