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Soul Kitchen

Soul Kitchen

Titel: Soul Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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Schicht tischte Pavese manchmal noch für alle anderen auf, vor allem an den Wochenenden. Zinos verließ den Laden, kaum hatte er die Schürze ausgezogen. Niemand forderte ihn auf zu bleiben, kaum jemand erwiderte sein Auf Wiedersehen.
    Irgendwann bekam auch Zinos einen Teller in die Hand gedrückt und hatte ab da seinen festen Platz in der Personalecke. Alle quatschten durcheinander, rauchten, tranken und aßen: geschmortes Kaninchen, Kalbfleisch in Marsala, gefüllte Artischocken, panierte Sardinen mit Salbei, Ossobuco, gegrilltes Huhn mit Peperoncino, Brokkoli in Weißwein, Pilze in Rotwein, glasierte Zwiebeln, Tintenfisch mit Erbsen und Spaghetti Vongole.
    Oft arbeitete er zwei Schichten am Tag. Es machte ihm nichts aus. In der restlichen Zeit schlief er, hing manchmal bei Olli rum; dann einigten sie sich meistens auf Nirvana, Pearl Jam, Prince oder Guns N’Roses und kifften. Bei Pavese sprach auch Olli kaum ein persönliches Wort mit Zinos, aber kaum hatten sie das Lokal verlassen, waren sie so etwas wie Freunde. Wenn aber alle – außer Pavese – nach der Schicht noch feiern gingen, da Pavese kein Gesaufe in seinem Laden duldete –, bat Olli Zinos nie mitzukommen. Er hatte keine Ahnung, warum, und er hielt es aus.
    Wenn er seinen Bruder im Gefängnis besuchte, bestärkte ihn Illias darin. Er gab Zinos den Rat, sich an das stärkste Glied in der Kette zu halten. Zinos verstand gar nicht, wovon Illias redete. So einfach war das nicht, denn während der Arbeit war natürlich Pavese der Boss, und hinterher war Zinos nie dabei. Erklärungsversuche, er sei eben ein paar Jahre jünger als alle anderen, ließ Illias nicht gelten. Und jedes Mal fragte er Zinos zur Begrüßung, ob er Bo schon flachgelegt habe. Zinos fragte sich, ob sein Bruder wusste, dass er noch auf überhaupt keiner Frau gelegen hatte – nicht einmal angezogen. Seine Erfahrungen beschränkten sich auf Kusskriegen und Flaschendrehen, und das war jetzt auch schon ein paar Jahre her.
     Eine Zeit lang besuchte Zinos seinen Bruder nicht mehr. Er fragte sich auch nicht mehr, wie er es in der Hierarchie bei Pavese nach oben schaffen konnte. Und sein Ziel, noch vor seinem neunzehnten Geburtstag im August nackt auf einer Frau zu liegen, wurde überstrahlt von der Sehnsucht nach einem Zungenkuss mit Bogdana.
    Er war sicher, sie über alles zu lieben. Sie zwinkerte ab und zu in seine Richtung, und nachts, wenn Zinos schlief, leckte sie sich über die Oberlippe. Dann wachte er auf, und alles war vorbei -
    Es war ein Samstag im März l992.
    Olli, Bo und die anderen hatten sich in die Nacht verabschiedet, und Zinos wischte so gründlich, wie Pavese es verlangte, alle Flächen der Küche. Heute Abend ließ er sich noch mehr Zeit. Er fürchtete sich davor, nach Hause zu gehen, wo seit dem Morgen ein ungeöffneter Brief seiner Eltern lag. Zinos hielt sich für das schwächste Mitglied seiner Familie. Seine Mutter, sein Vater und Illias dachten genauso, und ausgerechnet ihn hatten sie alle allein gelassen. Selbst Illias in seiner Zelle war weniger schwach und einsam als Zinos – einer wie Illias hatte immer seine eigene Stimme, die ihm Recht gab.
    So zumindest hatte Zinos sich immer erklärt, warum Illias häufig lächelnd und mit seligem Blick vor sich hin nickte.
    Illias hatte ihm immer gepredigt, Selbstmitleid mache Pudding aus ihm.
    Zinos putzte jeden Millimeter Stahl, jede Ritze zwischen den Kacheln, jeden unsichtbaren Krümel wischte er mehrfach weg und überlegte dabei, ob er alleine ausgehen könnte, dorthin, wo die anderen waren, ins Jamhouse oder ins Voulez-Vous.
    Da hörte er Paveses Stimme. Sie klang anders als sonst, aufgeregter. Zinos schaute durch das Bullauge der Küchentür. Pavese war nicht allein, eine etwas zerzauste blonde Frau saß an dem einzigen Tisch, dessen Stühle noch nicht hochgestellt waren. Sie saß einfach nur da und hörte Pavese zu, und sie sprach so leise, dass Zinos nicht mal den Klang ihrer Stimme hörte. Kurz darauf war sie verschwunden.
    Pavese stand regungslos da, fluchte auf Italienisch, setzte sich, stand wieder auf und goss sich Fernet Branca in ein Rotweinglas.
    Er trank ihn in einem Zug aus und legte eine Zigarette auf den Tisch. Er rollte sie mehrmals hin und her, hielt sie zwischen den Fingern, zündete sie aber nicht an. Zinos griff nach dem Gasanzünder und machte sich auf den Weg. Paveses Augen waren nass, sein ganzes Gesicht voller Tränen. Zinos verschwand schnell wieder in der Küche, doch Pavese rief nach

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