Soul Kitchen
ihm, befahl ihm, sich zu setzen, und ging zur Anlage hinter dem Tresen. Die Musik, die Pavese anmachte, war so schwermütig und kitschig, dass Zinos der Atem stockte. Das schaffte nicht mal Prince. Pavese fragte ihn, ob er auch etwas trinken wolle, schenkte ihm ein Zehntel seiner Portion ein und sagte:
»Du bist noch klein, zu viel davon ist nicht gut für dem junges Herz«
Zinos nahm sich eine Zigarette. Pavese schüttelte den Kopf, gab ihm aber Feuer. Zinos hustete, und ihm wurde etwas schlecht. Nach ein paar Zügen und einem Schluck Fernet hatte er sich daran gewöhnt.
»Was ist das für Musik?«
»Donny. Donny Hathaways. I love you more than you ’ll ever know. Er weiß, was ich fühle. Er kennt den Schmerz der Liebe.«
»War wohl jemand Wichtiges«, versuchte Zinos ein Gespräch.
»Wer?«
»Die Frau eben am Tisch.«
»Frag bitte nicht danach. Sei still!«
Zinos wagte keinen Blick in Paveses Richtung. Die Lieder von Donny Hathaway liefen und liefen, und Paveses Tränen taten es ihnen gleich. Zinos erinnerte sich nicht, jemals in einer ähnlichen Situation gewesen zu sein. Er schenkte sich selber nach.
»Das eben«, sagte Pavese unvermittelt, »das war Sabine.
»Ist sie deine Ex?«
Pavese rief wütend: » Ex – das klingt so einfach, nach einer Ordnung. Als ob es einfach vorbei wäre. Aber ich werde nie wieder eine andere lieben können. Und hätte ich das gewusst, ich hätte mir trotzdem nicht von ihr reinquatschen lassen. Ich würde alles wieder genauso machen. Obwohl ich bei jeder anderen an sie denke! Bumsen macht auch ohne Hoffnung Spaß! Liebe! Du bist doch verliebt in Bogdana! Ich habe gesehen, wie du ihr auf den Arsch guckst, morgens, mittags, abends. Genieß es! Irgendwann kommt eine, und es interessiert dich, was sie redet. Das macht dich verrückt! Sabine hat immer zu viel geredet, mich Materialist genannt, gesagt, ich müsste zu meinen Träumen stehen, um mich selbst zu lieben, damit ich sie lieben kann! Natürlich hab ich keine Lust, Essen nach Nummern zu verkaufen. Aber ich schulde nur mir selbst was. Wer beweist mir, dass ich glücklicher wäre in Turin, in meinem kleinen Lokal in einer Gasse, mit Trippa alla Fiorentina auf der Karte?«
Pavese wischte die letzte Träne aus dem Gesicht und schneuzte sich lange und laut mit einer Servierte die Nase. Nachdem er sich die Hände gewaschen hatte, machte er andere Musik an.
»Billy Paul: Let ’em in! Billy hat immer noch Spaß. Donny hat sich umgebracht. Ich glaube, er hat Roberta geliebt!«
»Roberta?«
»Roberta Flack! The closer I get to you haben sie zusammen gesungen. Hör es dir an, das ist Liebe.«
»Was wollte Sabine? Seht ihr euch wieder? Aber wenn mich das nichts angeht – kein Problem.«
»Nichts angeht? Du weißt jetzt sowieso mehr als jeder andere, der hier arbeitet.
»Ich behalte es für mich.«
Pavese starrte vor sich hin und sagte:
»Sie ist nicht verheiratet, aber sie hat einen Mann, einen verheirateten, einen Mann, der ihr nicht auf die Pelle rückt, und sie hat ein scheiß Baumhaus, irgendwo in Skandinavien. Sie vermietet es die Hälfte der Zeit und reist dann herum. Immer noch. Alles gut so. Aber ich rede zu viel, erzähl mal was von dir, Junge. Was ist mit Bo? Bist du verknallt?«
»Ich glaube, ich bin ihr zu jung.«
»Ich hab denen gesagt, sie sollen dich in Ruhe lassen, du bist noch zu klein für ihre Partys. Ich hab gesagt, ich feuere sie alle, wenn sie mit dir ausgehen.«
»Warum?«
»Weil ich dich irgendwie mag, weißt du! Du bist wie Peppo, er war ein intelligenter, aber theatralischer, selbstmitleidiger Junge mit einem großen Herzen.«
»Wer ist Peppo?«
»Mein kleiner Bruder. Als ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, war er ungefähr so alt wie du. Er ist tot. Er war fünfzehn. Das ist zwanzig Jahre her. Du hast diesen Blick. Wie Peppo und Donny. Auf dich muss man aufpassen!«
»Wieso ist Peppo gestorben?«
»Weil er ein Idiot war. Er war verliebt, so wie du in Bo. Auch sie war älter als er! Er hat ihr Liebesbriefe geschrieben. Ich habe ihn bestärkt, sie abzuschicken. Damals war auch ich noch jung. Und ich dachte, jeder Frau würde das Herz aufgehen, wenn sie liest, was Peppo geschrieben hat. Sie hat die Briefe ans schwarze Brett in der Schule gehängt. Er hat sich betrunken und wollte so tun, als würde er sich erhängen, an einem Baum vor ihrem Fenster. Er stand auf einem Ast, der Ast ist abgebrochen. Und sie hat es nicht mal gesehen.«
»Das tut mir sehr leid – aber woher wusstest du,
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