Soulbound (Ghostbound) (German Edition)
doch noch als spielsüchtiger und korrupter Polizist in Erinnerung bleiben.
Wenn allerdings jemand wie Sir Thomas ein Loblied auf Daniel und seine Leistungen sang … Die Meinung eines achtbaren und für seine Wohltätigkeit geschätzten Mannes wie ihm wog doch sicherlich mehr als die einer Boulevard-Zeitung.
Mindestens ein Dutzend Mal setzte sie an, den Text zu lesen, doch jedes Mal brach sie nach wenigen Sätzen ab. Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren, und immer, wenn sie Daniels Namen las, war es wie ein kleiner Tritt in den Magen.
Frustriert klappte sie den Rechner wieder zu. Sir Thomas würde sich noch etwas länger gedulden müssen. Oder sie würde ihm einfach mitteilen, dass sein Assistent George freie Hand hätte und den Text nach Hamiltons Vorstellungen abändern durfte. Wegen ihr konnte er auch seinen Namen als Autor darunter setzen. Vermutlich wäre das sowieso wirkungsvoller als ihr eigener unbedeutender Name oder irgendein Pseudonym.
Seufzend sah sie erneut auf die Uhr. Möglicherweise konnte sie sich doch schon auf den Weg zur Familie Orkafu machen. Auf dem Weg könnte sie einen Zwischenstopp in einem Musikladen einlegen, um einige von Daniels Lieblingsalben zu kaufen. Abgesehen von Margery besaß sie kaum Erinnerungsstücke von ihm, doch wenigstens seine Musik konnte sie hören. Vielleicht war es ihr ja vergönnt, dabei ein klein wenig seine Nähe spüren.
Bevor sie das Zimmer verließ, überprüfte sie im Spiegel den Sitz ihrer Eismaske und wappnete sich innerlich, sich den anderen zu stellen.
Riley saß mit seinem Laptop auf dem Schoß auf der Couch, während Susan im Schneidersitz auf dem Boden hockte und einen Stapel Zeitungen durchging. Beide waren offenbar in Recherchen vertieft.
Als Elizabeth zu ihnen stieß, sah Susan auf. „Hi“, sagte sie mit einem warmen Lächeln. „Geht es dir etwas besser?“
Elizabeth ignorierte die Frage. „Tut mir leid wegen des Termins um eins. Aber ich würde jetzt gerne zu den Orkafus fahren. Wäre einer von euch bereit, mich zu begleiten?“ Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme wie eine maschinelle Bandansage.
„Nun …“, setzte Susan an, doch Riley fiel ihr schroff ins Wort. „Ich geh schon mit, keine Sorge.“
„Danke“, sagte Elizabeth. „Woran arbeitet ihr?“
„Ich durchforste die Nachrichten nach dem zehnten Mord“, erklärte Susan, während Riley den Rechner zuklappte und sich erhob. Mit gesenkten Augen schob er sich an Elizabeth vorbei und verließ das Zimmer. „Und Riley liest sich in das Thema Thuggees ein“, ergänzte Susan, dem Jungen missbilligend hinterher blickend.
„Hast du etwas über einen neuen Mord gefunden?“
„Vor ein paar Tagen ist zwar schon wieder ein Teenager bei einer Messerstecherei getötet worden, aber das hatte mit Sicherheit nichts mit unserem Fall zu tun. Es gab ziemlich viele Zeugen, die den Streit und die darauf folgende Schlägerei beobachteten.“
„Verstehe. Tony ist gerade mit Clark und Stokes beschäftigt?“
Susan nickte nur und wandte sich dann wieder ihren Zeitungen zu.
„Ich bin soweit.“ Riley stand bereits mit Jacke und Rucksack in der Tür, also holte auch Elizabeth ihre Sachen. Ehe sie das Apartment verließen, ließ sie sich von Susan noch die Adresse der Familie Orkafu geben.
Als sie während der Taxifahrt einen größeren Musikladen passierten, bat Elizabeth den Fahrer kurz anzuhalten und auf sie zu warten. In weniger als zehn Minuten war sie zurück, denn sie hatte einem hilfsbereiten Verkäufer einfach die fraglichen Alben genannt, anstatt selbst auf Suche zu gehen.
Für den Rest der Fahrt starrte Elizabeth zum Seitenfenster hinaus, die Tüte mit den CDs so fest an sich gedrückt, als hinge ihr Leben daran. Es kam ihr vor, als hüllte sich die ganze Stadt in Trauer, als wüsste sie, dass einer ihrer Besten für immer gegangen war. Alle Farben waren über Nacht aus der Welt verschwunden. Dunkelgraue Wolken hingen unheilvoll am Himmel und drohten mit plötzlichem, heftigen Regen. Selbst die Menschen sahen in ihren Augen finster und feindselig aus.
Kims Worte auf der Beerdigung kamen ihr in den Sinn: Die Welt ist ohne dich nicht mehr die gleiche. Sie ist dunkler und kälter geworden .
Wie recht Daniels Schwester damit doch gehabt hatte.
Die Orkafus waren eine siebenköpfige Einwandererfamilie aus Uganda und lebten in einem kleinen Haus im Londoner Osten, in dessen Erdgeschoss sich auch ein Friseursalon befand, den Mrs Orkafu zusammen mit zwei ihrer
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