Späte Sühne - Island-Krimi
zu öffnen und ihm mit dem Sicherheitsgurt die Luft abzuschnüren. Da war aber noch ein anderer im Auto, und Jón musste uns zu Hilfe kommen. Magnús wehrte sich nach Kräften, und mir gelang es erst, ihn an Händen und Füßen zu fesseln, als Lúðvík ihn schon beinahe erdrosselt hatte. Sein Beifahrer war trotz seiner Größe leichter zu überwältigen, er leistete praktisch keinen Widerstand. Wir ließen ihn im Auto zurück und brachten Magnús in den Borgarfjörður. Dort musste er sich die Aufzeichnung von Arngrímurs Geständnis anhören und bestätigen, dass es sich damals so zugetragen hatte.«
»Das habe ich gehört«, sagte Birkir. »Weshalb habt ihr sie in dem Glauben gelassen, dass sie da drinnen verbrennen würden?«
Starkaður antwortete: »Seit vielen, vielen Jahren haben wir darüber diskutiert, was wir mit Arngrímur machen sollten. Es gab die unterschiedlichsten Ideen und Vorschläge. Eine davon war, ihn genauso im Feuer sterben zu lassen wie Sunna. Dann kam jemand von uns auf die Idee, ihm eine Säge hinzulegen; falls er sich retten wollte, konnte er den Fuß absägen. Das war eine Chance, die Sunna nicht gehabt hatte. Die Kette war aus massivem Eisen, mit einer einfachen Säge konnte man der nichts anhaben. Vorgestern haben wir diesen Plan noch ein wenig abgeändert. Wir stellten die Zeitzünderkonstruktion mit der Kerze und dem Benzinfass auf. Im Gegensatz zu den früheren Plänen war gar kein Benzin in dem Fass, Arngrímur und Magnús sollten das aber glauben. Das Alter hat uns wohl weicher gemacht, und es wäre auch schade um das Haus gewesen.«
Birkir ließ seine Blicke zwischen Jón und Starkaður hinund hergehen.
»Habt ihr wirklich geglaubt, dass ihr damit durchkommen würdet?«
»Vielleicht haben wir das geglaubt«, antwortete Starkaður. »Und vielleicht wären wir auch damit durchgekommen, wenn wir uns an den ursprünglichen Plan gehalten hätten, Arngrímur umzubringen und die Leiche an einem sicheren Ort verschwinden zu lassen. Oder ihn irgendwo in einem Haus verbrennen zu lassen, damit uns niemand etwas nachweisen konnte. Eigentlich lief aber von Anfang an alles schief. Wir sind bereit, die Konsequenzen zu tragen. Das tun wir für Sunna und für uns selber.«
Birkir schüttelte den Kopf. »Nach dem, was ihr mir erzählt habt, glaube ich mir ein ziemlich gutes Bild von dem Mädchen machen zu können. Ich weiß nicht, ob sie eine derartige Rache gewollt hätte.«
Starkaður blickte zu Jón hinüber. »Wahrscheinlich nicht«, sagte er. »Aber im Gegensatz zu ihr ist es uns leider nicht gegeben, vergessen und vergeben zu können.«
»Wisst ihr, wo Lúðvík sich aufhält?«, fragte Birkir.
»Er ist hier im Haus, er schläft«, antwortete Starkaður. »Er weiß, dass wir uns stellen wollten. Er kommt mit.«
Birkir stand auf. »Es ist wohl Zeit, dass wir gehen. Seid ihr bereit?«
»Ja«, sagte Jón und legte die Hand auf die Stirn des Toten. »Werden wir bei der Beerdigung dabei sein dürfen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Birkir. »Darüber habe ich nicht zu entscheiden. Ich denke, du solltest dich lieber jetzt von ihm verabschieden.«
»Das habe ich bereits getan«, sagte Jón.
Über den Autor
Viktor Arnar Ingólfsson wurde 1955 in Akureyri, im Norden von Island geboren. Heute lebt er mit seiner Frau und zwei Töchtern in Reykjavík, arbeitet als Ingenieur beim isländischen Straßenbauamt und veröffentlicht mit großem Erfolg Kriminalromane. SPÄTE SÜHNE ist der vierte Roman von Viktor Arnar Ingólfsson, der auf Deutsch erscheint.
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