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Spaetestens morgen

Spaetestens morgen

Titel: Spaetestens morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Jenny
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zusammengebrochen. Jetzt sei sie wieder da, bei ihren Eltern und versuche sich zu entspannen. Es gehe ihr schon wieder besser, sie hätte sich auf der Heimfahrt im Zug in einen Fotografen verliebt. Ich nickte und stieß zur Beglückwünschung mein Glas an das ihre. Noch am selben Abend rief sie mich an und meinte, sie würde in ein paar Tagen wieder in das Sommerhaus fahren, ob ich nicht mitkommen wolle.
    Clarice saß am Steuer, und wir sangen laut und falsch die Musik im Radio mit. Ihre Eltern waren schon da, als wir gegen Abend ankamen. Sie standen auf der Veranda und riefen unsere Namen, als wir ihnen durch den Garten entgegenkamen. Sophie klatschte in die Hände und sagte zu ihrem Mann: »Sehen sie nicht wie Schwestern aus?«
    Das Sommerhaus war kleiner, als ich es mir vorgestellt hatte. »Es ist ein O. K. Haus«, wie Clarice es ausdrückte. In allen Räumen hatte Sophie Blumen hingestellt. Je nachdem, wo man sich aufhielt, roch es nach Jasmin, Rosen oder Flieder. Im Erdgeschoss gab es eine Küche und ein großes Wohnzimmer. Dort saßen wir bei geöffneter Verandatür und tauschten bis spät in die Nacht Erinnerungen aus. Von weitem hörte man das Meer rauschen. Herr Schmitz legte einen Arm um Sophies Schultern. Er war ein Mann von sechsundfünfzig Jahren, mit dem Stolz und der Zufriedenheit eines Menschen, der für das, was er besaß, gearbeitet hatte. Herr Schmitz reiste während des Jahres geschäftlich so viel herum, dass er sich in den Ferien nicht auch noch bewegen wollte. Den ganzen Tag lag er in einem gelb-weiß gestreiften Liegestuhl im Garten. Die aufgeschlagene Zeitung wie ein Zelt über seinem Gesicht. Wenn Clarice, Sophie und ich am späten Vormittag im Badeanzug durch den Garten an ihm vorbeigingen, hob er den Arm und winkte uns zu. Sein Gesicht blieb unsichtbar unter der Zeitung. Der Strand war nur wenige Minuten vom Haus entfernt. Barfüßig kletterten wir über die Dünen, hinter denen sich das Meer verbarg. Der Tag begann damit, dass wir einander den Rücken mit Sonnenöl eincremten. Ich rieb Clarices Rücken ein, sie meinen und den ihrer Mutter. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich genau, wie Clarices Hände mit kreisenden Bewegungen über Sophies Rücken fuhren. All die anderen Frauen, die ich kannte, hatten problematische Beziehungen zu ihren Müttern, die von Hass, Schuld- und Neidgefühlen bestimmt waren und bei denen selbst der Tod der Mutter keine Besänftigung bewirkt hatte. Ich konnte nicht anders, als Clarices Hände auf dem friedlichen Mutterrücken anzustarren.
    Abends, wenn wir zurückkehrten, empfing uns Herr Schmitz ausgeruht und gut gelaunt. Er bekochte uns Frauen mit leichten Gerichten, kalten Suppen und Fisch. Er nannte Sophie »Prinzessin« und manchmal, wenn er etwas getrunken hatte, auch »Sweety«, was mich immer peinlich berührte, obwohl die Bezeichnungen zu ihr passten, nur nicht aus seinem Mund. Wir verbrachten ruhige, gleichförmige Tage. Clarice entspannte sich, und ihr Körper wurde braun und wieder rundlicher. Eines Abends klingelte das Telefon, und Clarice blieb eine Stunde weg. Als sie zurückkam, teilte sie fröhlich mit, dass ihr Fotografenfreund auf dem Weg zu uns sei.
    Clarice und ich holten Dyke mit dem Auto vom Bahnhof ab. Er stand lächelnd auf dem Bahnsteig, mit dünnen, blond behaarten Beinen. Er hatte seine gesamte Fotoausrüstung bei sich. Auf der Fahrt setzte ich mich auf den Rücksitz, und Dyke schnüffelte in Clarices Locken, atmete übertrieben den Duft ihres Haares ein. Mit großer Selbstverständlichkeit umarmte er zur Begrüßung Clarices Eltern, ging mit ausholenden Schritten durchs Haus, und wie nebenbei schaute er sich alles genau an. Am nächsten Tag packte er seine Fototaschen aus. Die kleinsten Dinge konnten sein Interesse wecken: ein Lichtstrahl, der durch die Verandatür fiel und auf dem Holz des Tisches ein helles Rechteck warf, ein Blütenblatt, Clarices nackter Arm, der von einer Stuhllehne hing. Abends am Strand fotografierte er vorbeiziehende Wolken, die untergehende Sonne, das Meer und die angespülten Muscheln. Schließlich warf er sich auf die Knie und fotografierte die Struktur des Sandes. Clarice, Sophie und ich lachten bei diesem Anblick auf unseren Badetüchern sitzend. Dyke blickte durch das Objektiv, robbte durch den Sand und entdeckte dabei wie zufällig Sophies Füße. Er rief aus, wie wunderbar ihre Füße seien. So klein und rund. Und er bat sie, den Sand durch die Zehen rieseln zu lassen. Sophie wurde rot im Gesicht,

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