Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
fruchtbaren Kantons und läßt die Alpenjäger jagen und hungern; sie werden schon kommen und bitten. Bloß die Eifersucht gegen Österreich gab der Schweiz Existenz und Dauer.
Von Zug aus nahm ich meinen Tornister selbst wieder auf den Rücken. Der Schneider sah einige Minuten verblüfft, brummte und bemerkte sodann, ich müsse doch sehr furchtsam sein, daß ich ihm meinen Reisesack nicht anvertrauen wolle. Ich machte ihm begreiflich, daß hier zwischen Zug und Zürich gar nichts zu fürchten sei, daß mich allenfalls mein Knotenstock gegen ihn schütze, daß ich ihm aber keine Verbindlichkeit weiter haben wolle; seine Gesellschaft sei mir auch zu teuer, er sei unbescheiden und fast unverschämt; ich wolle weiter nichts für ihn bezahlen. Dabei erklärte ich ihm, daß ich in Luzern für meine eigne Rechnung vierunddreißig Batzen und für die seinige sechsunddreißig bezahlt habe; das stehe mir nicht an. Er entschuldigte sich, er habe einen Landsmann gefunden und mit ihm etwas getrunken, und der Wirt habe zu viel angeschrieben. »Vielleicht ist beides«, sagte ich. »Er hat zu viel getrunken, und jener hat noch mehr angeschrieben, ob mir das gleich von dem ehrlichen Luzerner nicht sehr wahrscheinlich vorkommt; aber, mein Freund, er hat vielleicht der Landsleute viele von Neapel bis Paris; ich zahle gern eine Suppe und ein Stück Fleisch und einige Groschen, aber ich lasse mich nur einmal so grob mitnehmen.« Er verließ mich indessen doch nicht; wir wandelten zusammen den Albis hinauf und herab, setzten uns unten in ein Boot und ließen uns über den See herüber nach Zürich fahren, wo ich dem Sünder noch einige Lehren und etwas Geld gab und ihn laufen ließ. Er wird indessen beides schon oft bekommen haben.
Hier bin ich nun wieder unter vaterländischen Freunden und könnte bald bei Dir sein, wenn ich nicht noch etwas links abgehen wollte. In Zürich möchte ich wohl leben, das Örtliche hat mir selten anderwärts so wohl gefallen. Ich trug einen Brief aus Rom zu Madame Geßner, der Witwe des liebenswürdigen Dichters, und ging von ihr hinaus an das Monument, das die patriotische Freundschaft dem ersten Idyllensänger unserer Nation errichtet hat, an dem Zusammenflusse der Siehl und der Limmat. Das Plätzchen ist idyllisch schön und ganz in dem Geiste des Mannes, den man ehren wollte; und der Künstler, sein Landsmann, hat edle Einfalt nicht verfehlt, welche hier erfordert wurde. Akazien, Platanen, Silberpappeln und Trauerweiden umgeben den heiligen Ort. Einige Zeit verwendete ich darauf, die Schlachtgegend zu überschauen; und ich kann nicht begreifen, wie die Österreicher ihre Stellung verlassen konnten. Ich verschone Dich mit Beschreibungen, die Du in vielen Büchern vielleicht besser findest. Eine eigne Erscheinung war es mir hier, daß bei Vidierung des Passes zwei Batzen bezahlt werden mußten. Ich möchte wohl wissen, wie man dieses mit liberaler Humanität oder nur mit Rechtlichkeit in Übereinstimmung bringen wollte.
Nun erlaube mir noch, Dir fragmentarisch etwas über meinen Gang durch Italien im Allgemeinen zu sagen! Du hast aus meiner Erzählung gesehen, daß es jetzt wirklich traurig dort aussieht, vielleicht trauriger, als es je war. Ich bin gewissenhaft gewesen, und jedes Wort ist Wahrheit, soweit man historische Wahrheit verbürgen kann. Daß Brüdone in Sizilien gewesen ist, bezweifelt niemand; aber viele haben vieles gegen seine schönen Erzählungen. So viel weiß ich, daß in Sizilien selbst und vorzüglich in Agrigent und Syrakus man sehr übel mit ihm zufrieden ist; aber Barthels ist doch vielleicht zu strenge gegen ihn verfahren. Mehrere Rügen, die ich hier nicht aufzählen kann, haben ihre Richtigkeit, und sein Hauptfehler ist, daß er seiner poetischen Phantasie zuviel Spielraum gab. Die Besten über die Insel von den Neuern sind wohl Barthels und Münter. Dorville habe ich fast durchaus sehr genau gefunden, soviel ich auf dem Fluge habe bemerken können.
Das ganze Königreich Neapel ist in der traurigsten Verfassung. Ein Kurier, der von Messina über Rheggio nach Neapel gehen soll, hält den Weg immer für gefährlicher als einen Feldzug. Der Offizier, mit dem ich nach Rom reiste, war sechzehnmal geplündert worden und dankte es nur seiner völligen Resignation, daß er noch lebte. Ich könnte sprechen, sagte er, aber dann dürfte ich keine Reise mehr machen, oder ich wäre auf der ersten ein Mann des Todes. Alle Greuel, die wir von Paris während der Revolution gehört haben,
Weitere Kostenlose Bücher