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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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treulich an Nadel und Fingerhut zu halten. Wir schlenderten eine hübsche Partie ab, da wir in einem Tage von Ayrolles den Berg herüber bis herab über Altorf nach Flüren am See gingen. Altorf, das vor einigen Jahren durch den Blitz entzündet wurde und fast ganz abbrannte, wird jetzt recht schön, aber ebenso unordentlich wieder aufgebaut. Die Berggegend sollte doch wohl etwas mehr Symmetrie erlauben. Eine Stunde jenseits Altorf war das Wasser sehr heftig aus den Bergen heruntergeschossen und konnte nicht schnell genug den Weg in die Reuß finden, so daß wir eine Viertelstunde ziemlich bis an den Gürtel auf der Straße im Wasser waden mußten. Es war kein Ausweg. Den andern Morgen nahm ich ein Boot herüber nach Luzern, ohne weiter den Ort besehen zu haben, wo Tell den Apfel abgeschossen hatte. Nicht weit von der Abfahrt stürzt rechts ein Wasserfall von sehr hohen Felsen herab, nicht weit von Tells Kapelle, und man erzählte mir, daß oben in den Alpen ein beträchtlicher See von dem Wasser der noch höheren Berge wäre, der hier herabflösse. Schade, daß man nicht Zeit hat hinaufzuklettern; die Partie sieht von unten aus schon sehr romantisch, und oben muß man eine der herrlichsten Aussichten nach der Reuß und dem Waldstädtersee haben. Die Fahrt ist bekannt, und Du findest sie in den meisten Schweizerreisen. In dem seligen Republikchen Gersau frühstückten wir, und die Herren beklagten sich bitter, daß ihnen die Franzosen ihre geliebte Autonomie genommen hatten. Die ganze Fahrt auf dem Wasser herab bis nach Luzern ist eine der schönsten; links und rechts liegen die kleinen Kantone und höher die Schneealpen, in welche man zuweilen weit, weit hineinsieht. Der Pilatusberg vor Luzern ist nur ein Zwerg, der den Vorhof der Riesen bewacht. In Luzern fand ich im Wirtshause unter der guten Gesellschaft einige Freunde von Johannes Müller, die mit vieler Wärme von ihm sprachen. Nachdem ich die Brücken und den Fluß beschaut hatte, ging ich zum General Pfeiffer, um seine wächserne Schweiz zu sehen. Die Sache ist bekannt genug, aber kein so unnützes Spielwerk, wie wohl einige glauben. Der Mann hat mit Liebe viele schöne Jahre seines Lebens daran gearbeitet, und mit einer Genauigkeit, wie vielleicht nur wenig militärische Karten gemacht werden. Die Franzosen haben das auch gefühlt, und Lecourbe, gegen den der alte General zuerst eine entschiedene Abneigung zeigte, wußte durch seine Geschmeidigkeit endlich den guten Willen des Greises so zu gewinnen, daß er sich nun als seinen Schüler ansehen konnte. Die Schule hat ihm genützt, und es wird allgemein nicht ohne Grund behauptet, er würde den Krieg in den Bergen nicht so vorteilhaft geführt haben ohne des Alten Unterricht. Die Wachsarbeit ist bekannt; es ist schade, daß ihm die Jahre nicht erlauben, das übrige zu vollenden. Dieser Krieg hat die Bergbewohner in Erstaunen gesetzt, man hat sich in ihrem Lande in Gegenden geschlagen, die man durchaus für unzugänglich hielt. Die Feinde haben Wege gemacht, die nur ihre Gemsenjäger vorher machten; vorzüglich die Russen und die Franzosen. Man hat sich auf einmal überzeugt, daß die Schweiz bisher nur vorzüglich durch die Eifersucht der großen Nachbarn ihr politisches Dasein hatte. Die Russen und Franzosen kamen auf Pfaden in das Murter Tal, die man nur für Steinböcke gangbar hielt. Die Katholizität scheint hier sehr gemäßigt und freundlich zu sein. Das Merkwürdigste für mich war noch, daß mir der Kellner im Gasthofe erzählte, man habe in dem See zweiunddreißig Sorten Forellen, so daß man also bei der kleinsten Wendung der Windrose eine andere Sorte hat. Diejenigen, welche man mir gab, hätten einen Apicius in Entzücken setzen können; und ich rate Dir, wenn Du hierher kommst, Dich an die Forellen zu halten, wenn Du gleich nicht alle Sorten des Kellners finden solltest.
    Von Luzern ließ ich mich auf dem Wasser wieder zurückrudern durch die Bucht links, ging über den kleinen Bergrücken herab an den Zuger See, setzte mich wieder ein und ließ mich nach Zug bringen. Wäre ich etwas frömmer gewesen, so wäre ich rechts fort zur Heiligen Mutter von Einsiedel gegangen. Auf dem Bergrücken zwischen diesen beiden Seen steht die bekannte andere Kapelle Tells mit der schönen Poesie. Alles ist sehr gut und sehr patriotisch, aber ich fürchte, nicht sehr wahr; denn wenn auch die Schweizer noch die alten wären, würden sie sich doch in diesen Konjunkturen schwerlich retten. Man nimmt die größeren,

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