Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
der wohlfeile Preis. Man spricht dort noch etwas Deutsch, und Leute von Erziehung bemühen sich, beide Sprachen richtig und angenehm zu reden. Das Dorf war ziemlich groß, und als ich gegen Abend noch einen Gang an den Gärten und Wiesen hin machte, hörte ich in der Ferne an einem kleinen, buschigen Abhange einen Gesang, der mich lockte. Das war mir in ganz Italien nicht begegnet; und als ich näherkam, hörte ich eine schöne, einfache, ländliche Melodie zu einem deutschen Texte, den ich für ein Gedicht von Matthison hielt. Die Sängerinnen waren drei Mädchen, die man wohl in der Abendröte für Grazien hätte nehmen können. Die Zuhörer mehrten sich, und ich war so heimisch, als ob ich an den Ufern der Saale gesessen hätte.
Nun ging es über Besançon und Auxonne nach Dijon herunter. Es war ein Vergnügen zu wandeln; überall sah man Fleiß und zuweilen auch Wohlstand. Wenigstens war nirgends der drückende Mangel und die exorbitante Teuerung, die man jenseits der Alpen fand; und doch hatte hier die Revolution gewütet und der Krieg gezehrt. Besançon ist wohl mehr ein Waffenplatz als eine Festung. Der Ort ist seit Cäsars Zeiten immer ein wichtiger Posten gewesen. Aber bei einer Belagerung würde jetzt die Stadt bald zugrunde gehen und der Ort sich kaum halten. In Auxonne wurden alle Festungswerke niedergerissen, und jedermann ging und ritt und fuhr ungehindert und ungefragt aus und ein. Das fand ich selbst gegen die Schweiz sehr liberal. Einen Abend blieb ich in Genlis, dem Gute der bekannten Schriftstellerin. Die Besitzung ist sehr nett, aber sehr bescheiden; und die Dame wird, trotz allem, was ihre Feinde von ihr sagen, hier sehr geliebt.
Dijon hat ungefähr eine Stunde im Umfange und rund um die Stadt einen ziemlich angenehmen Spaziergang. Der Ort empfindet die Folgen der Revolution vor allen übrigen, weil sie hier vorzüglich heftig war. Die Leute wissen bis jetzt vor Angst noch nicht, wo sie mit ihrer Stimmung hin sollen; die meisten scheinen königisch zu sein. Mein Wirt, der sehr höflich mit mir herumlief, erzählte mir in langen Klagen den ganzen Verlauf der Sachen in ihrer Stadt und die schreckliche Periode unter Robespierre, wo viele brave Leute teils guillottiniert wurden, teils in den Gefängnissen vor Angst und Gram starben. Die Sache hat freilich mehrere Seiten. Viele scheinen nur das Anhängsel der ehemaligen Reichen vom Adel und der Geistlichkeit zu machen; diese können allerdings bei keiner vernünftigen Einrichtung gewinnen. Alle großen Städte, die nicht auf Handel, Fabriken und Industrie beruhen, die Hauptstadt ausgenommen, müssen durch die Veränderung notwendig verlieren, da die Parlamentsherren, der reiche Adel und die reiche Geistlichkeit nicht mehr ihr Vermögen daselbst verzehren. Aber deswegen ist dieses noch kein wesentlicher Verlust für die Nation. Der Park des Prinzen Condé vor dem Peterstore ist jetzt verkauft und ein öffentlicher Belustigungsort. Im Ganzen ist die Stadt sehr tot.
Von Dijon fuhr ich, weil mir das Wetter zu heiß ward, mit dem Kurier nach Auxerres und von dort mit der Diligence nach Paris. Auxerres ist eine Mittelstadt, aber ziemlich lebhaft, wenigstens weit lebhafter als Dijon. Zum Friedensfeste hatte man an dem Boulevardkaffee der Hebe einen Tempel aufgeführt, der der französischen Kunst eben keine Ehre macht. Die Gesellschaft war aber angenehm und die Bewirtung gut und billig. Die Wirtin, ein Prototyp der alten echt französischen Höflichkeit und Gutherzigkeit, setzte sich zu mir in die Gartenlaube, hielt mir bei Gelegenheit der Bezahlung einen langen Unterricht über den Geldkurs und gab mir Warnungen, damit ich als Fremder mit der Münze nicht betrogen würde; welches indessen, zur Ehre der Nation, nur sehr selten geschehen ist. In Italien war der Fall häufiger, und auch in der Schweiz.
Die Gesellschaft in der Diligence war besser als der einsilbige Kurier von Dijon. Ein alter General von der alten Regierung, ein fremder Edelmann aus der Schweiz, ein Landpfarrer, der zugleich Mediziner war, ein Kaufmann, ehemals Adjutant des Generals Lecourbe, ein Gelehrter von Auxerres, der vorzüglich in der Ökonomie stark zu sein schien und einige andere Unbekannte machten eine sehr bunte Unterhaltung. Ich saß zwischen dem Geistlichen und dem Gelehrten im Fond und vor mir der General auf dem Mittelsitze. Der General hatte ehemals in Domingo kommandiert, wäre fast bei seiner Rückkehr in Brest guillotiniert worden, und nur die Intervention vieler
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