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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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Meinung, daß sie dem Reiche weit weniger Schaden zugefügt haben als die Minister und die Könige selbst, deren Schwachheiten gegen beide oft unerhört waren. Nur klang die Apologie aus dem Munde eines sehr orthodoxen Geistlichen etwas drollig. Gegen Bonaparte hatte er weiter nichts, als daß er zu schnell gehe, daß man aber von dem großen Manne noch nicht urteilen dürfe. Da hatte ich denn freilich gesündigt, denn ich hatte nun leider einmal geurteilt. Das Urteil über öffentliche Männer, es mag nun wahr oder falsch sein, kommt nie zu früh, aber oft zu spät. Mit frommer Andacht meinte er noch,
que Bonaparte seroit le plus grand homme de l'univers et de toute l'histoire, s'il mettoit en se retirant le vrai rejetton sur le trône
. Schwerlich wird der Konsul den Pfarrer zu seinem geheimen Rat machen. Das alles wurde ohne viele Vorsicht öffentlich in der Diligence geäußert. Du siehst, daß sich die Fahne sehr gedreht hat. Man sagt laut, daß die Mehrheit den König wünsche, und ihre Zuchtmeister mögen ihnen wohl den Wunsch ausgepreßt haben. Die Generale nannte man nur
les mangeurs de la république
, und das ohne Zweifel mit Recht.
    Unter diesen und andern Ventilationen kamen wir den 6. Juli in Paris an, wo man mich in das
Hotel du Nord
in der Straße Quincampoi brachte, wo, wie ich höre, der berüchtigte Law ehemals sein Wesen oder Unwesen trieb. Das war mir zu entfernt von den Plätzen, die ich besuchen werde. Mein erster Gang war, Freund Schnorr aufzusuchen. Ich fand mit der Adresse sogleich sein Haus und hörte zu meinem großen Leidwesen, daß er vor sieben Tagen schon abgereist war. Seine Stube war aber noch leer, der Kolonnade des Louvre gegenüber; ich zog also wenigstens in seine Stube; und aus dieser schreibe ich Dir, in der Hoffnung, Dich bald wiederzusehen, denn meine Börse wird mich bald genug erinnern, die väterlichen Laren zu suchen.

Paris

    Es würde anmaßlich sein, wenn ich Dir eine große Abhandlung über Paris schreiben wollte, da Du davon jeden Monat in allen Journalen ein Dutzend lesen kannst. Mein Aufenthalt ist zu kurz; ich bin nur ungefähr vierzehn Tage hier und mache mich schon wieder fertig abzusegeln.
    Nach Paris kam ich ohne alle Empfehlung, ausgenommen ein Papierchen an einen Kaufmann wegen meiner letzten sechs Dreier. Ich habe nicht das Introduktionstalent und im allgemeinen auch nicht viel Lust, mich sogenannten großen Männern zu nahen. Man opfert seine Zeit, raubt ihnen die ihrige und ist des Willkommens gewiß, trifft sie vielleicht selten zur schönen Stunde und hätte mehr von ihnen gehabt, wenn man das erste beste ihrer Bücher oder ihrer öffentlichen Verhandlungen vorgenommen hätte. Das ist der Fall im allgemeinen; es wäre schlimm, wenn es nicht Ausnahmen gäbe. Mir deucht, man ist in dieser Rücksicht auch zuweilen sehr unbillig. Man erwartet oder verlangt vielleicht sogar von einem berühmten Schriftsteller, er solle in seiner persönlichen Erscheinung dem Geist und dem Witz in seinen Büchern gleichkommen, oder ihn noch übertreffen; und man bedenkt nicht, daß das Buch die Quintessenz seiner angestrengten Arbeiten ist, und daß die gesellschaftliche Unterhaltung ein sonderbares Ansehen gewinnen würde, wenn der Mann beständig so in Geburtsnot sein sollte. Die Zumutung wäre grausam, und doch ist sie nicht ungewöhnlich. Es gibt zuweilen glückliche Geister, deren mündlicher extemporärer Vortrag besser ist als ihre gesichtetste Schrift; aber dieses kann nicht zur Regel dienen.
    Ich ging zu Herrn Millin, weil ich dort Briefe zu finden hoffte. Diese fand ich zwar nicht, aber man hatte ihm meinen Namen genannt, und er nahm mich sehr freundlich auf; und ich bin, so wie ich ihn nun kenne, versichert, ich würde auch ohne dies freundlich aufgenommen worden sein. Millin ist für die Fremden, die in literarischer Absicht Paris besuchen, eine wahre Wohltat. Der Mann hat eine große Peripherie von Kenntnissen, die echte französische Heiterkeit, selbst eine schöne Büchersammlung in vielen Fächern und aus vielen Sprachen und eine seltene Humanität. Mehrere junge Deutsche haben den Vorteil, in seinen Zimmern zu arbeiten und sich seines Rats zu bedienen. Ich habe ihn oft und immer gleich jovialisch und gefällig gesehen. Auf der Nationalbibliothek herrscht eine musterhafte Ordnung und eine beispiellose Gefälligkeit gegen Fremde. Daß in der öffentlichen Gerechtigkeit große Lücken sind, ist bekannt, und daß ihre gepriesene Freiheit täglich preßhafter

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