Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
sich kaum mehr Mühe, seinen Bucentaur zu besehen. Venedig wird nun nach und nach von der Kapitale eines eigenen Staats zur Gouvernementsstadt eines fremden Reichs sich modifizieren müssen; und desto besser für den Ort, wenn dieses sanft, von der einen Seite mit Schonung und von der andern mit gehöriger Resignation, geschieht.
Gestern ging ich nach meinem Passe, der auf der Polizei gelegen hatte und dort unterschrieben werden mußte. Ich bin überhaupt kein großer Welscher, und der zischende Dialekt der Venetianer ist mir gar nicht geläufig. Ich konnte also in der Kanzlei mit dem Ausfertiger nicht gut fertig werden, und man wies mich in ein anderes Zimmer an einen andern Herrn, der fremde Zungen reden sollte. In der Meinung, er würde unter einem deutschen Monarchen auch wohl deutsch sprechen, sprach ich Deutscher deutsch.
»Non son asino ferino«
, antwortete der feine Mann,
»per ruggire tedesco.«
Das waren, glaube ich, seine Worte, die freilich eine grelle Ausnahme von der venetianischen Höflichkeit machten. Die Anwesenden lachten über den Witz, und ich, um zu zeigen, daß ich wider sein Vermuten wenigstens seine Galanterie verstanden hatte, sagte ziemlich mürrisch:
»Mais pourtant, Monsieur, il est à croire qu'il y a quelqu' un ici, qui sache la langue de votre Souverain.«
Das machte den Herrn etwas verblüfft; er fuhr ganz höflich französisch fort, sich zu erkundigen, sagte mir, daß mein Paß ausgefertigt sei, und in drei Minuten war ich fort. Ich erzähle Dir dieses nur als noch einen neuen Beweis, wie man hier gegen unsere Nation gestimmt ist. Diese Stimmung ist ziemlich allgemein, und die Österreicher scheinen sich keine sonderliche Mühe zu geben, sie durch ihr Betragen zu verbessern.
Morgen will ich über Padua am Adria hinabwandeln und mich so viel als möglich dem Meere nahe halten, bis ich hinunter an den Absatz des Stiefels komme und mich an den Aetna hinüberbugsieren lassen kann. Die Sache ist nicht ganz leicht. Denn unter Ancona bei Loretto endigt die Poststraße;
sed non sine dis animosus infans
. Ich weiß, daß mich Deine freundschaftlichen Wünsche begleiten, so wie Du überzeugt sein wirst, daß meine Seele oft bei meinen Freunden und also auch bei Dir ist.
Bologna
Neun Tage war ich in Venedig herumgelaufen. Die Nacht war ich angekommen, die Nacht fuhr ich mit der Corriere wieder ab. Die Gesellschaft war ziemlich zahlreich, und wir waren wie im trojanischen Pferde zusammengeschichtet. Das Wetter war nicht sehr günstig; wir fuhren also von Venedig nach Padua von acht Uhr des Abends bis den andern Mittag. Der Weg an der Brenta herauf soll sehr angenehm sein, aber das Wasser hatte bekanntlich die Straßen durch ganz Oberitalien so fürchterlich zugerichtet, daß es ein trauriger Anblick war; und ich grämte mich nicht sehr, daß ich auf meiner Fahrt und wegen des stürmischen Wetters wenig davon sehen konnte. So wie wir in Padua ankamen, ward das Wetter leidlich. Die Unterredung im Schiffe war bunt und kraus wie die Gesellschaft, aber es wurde durchaus nichts gesprochen, was Bezug auf Politik gehabt hätte. Die einzige Bemerkung nehme ich aus, welche ein alter, ziemlich ernsthafter Mann machte: es wäre nun zu hoffen, daß wir in dreißig oder vierzig Jahren zu Fuße nach Venedig würden gehen können. Er deutete bloß kurz an, die alte Regierung habe ein Interesse gehabt, die Stadt als Insel zu erhalten, und habe sich die Räumung der Lagunen viel Geld kosten lassen; die neue Regierung werde ein entgegengesetztes Interesse haben und brauchte dann nicht viel Kosten darauf zu wenden, die Straße von Mestre nach Venedig festzumachen. Ich lasse die Hypothese dahingestellt sein.
Als ich in Padua meine Mahlzeit genommen hatte, nahm ich meinen Tornister und machte vor meinem Abzuge dem heiligen Antonius einen Besuch. Sogleich war ein Cicerone da, der mich führte, und meinte, ich könne ganz füglich, so betornistert wie ich wäre, überall herumlaufen. Das nahm ich sehr gerne an und wandelte in diesem etwas grotesken Aufzuge mit aller Devotion, die man dem alten Volksglauben schuldig ist, in der gothischen Kathedrale herum. In der Kirche drängten sich mit Gewalt noch zwei andere Ciceronen mit zu mir und ließen sich mit Gewalt nicht abweisen; sie waren weit besser als ich gekleidet und zeigten mir alle ihre Wunder mit vieler Salbung; und ich hatte die Ehre, drei zu bezahlen. Sodann ging ich, das Monument des Livius aufzusuchen, von welchem alle meine drei Führer nichts wußten.
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