Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
Vom Netzwerk:
Pomp auf- und abführen sah; und man verkauft wieder Indulgenzen nach Noten für alle Arten von Schurkereien. Es ist überhaupt nicht viel Vernunft in der Vergebung der Sünden; aber wer diese Art derselben erfunden hat, bleibt ein Fluch der Menschheit, bis die Spur seiner Lehre getilgt ist.
    Mit diesen und ähnlichen Gedanken wandelte ich die lange Gasse von Loretto den Berg hinauf und hinab, durch die schönen Täler weiter und immer nach Macerata zu. Links haben die Leute eine herrliche Wasserleitung angelegt, die das Wasser von Recanati nach Loretto bringt. Wenn ich überall eine solche Kultur fände wie von Ancona bis Macerata und Tolentino, so wollte ich fast den Mönchen ihre Möncherei verzeihen. In Macerata bewillkommte mich im Tor ein päpstlicher Korporal und nahm sich polizeimäßig die Freiheit, meinen Paß zu beschauen. Der Mann war übrigens recht höflich und artig und schickte mich in ein Wirtshaus nicht weit vom Tore, wo ich so freundlich und billig behandelt wurde, daß mir die Leutchen mit ihrem gewaltig starken Glauben durch ihre Gutmütigkeit außerordentlich wert wurden. Ich machte mir ein gutes Feuer von Ulmenreisig und Weinreben, las eine Rhapsodie aus dem Homer und schlief so ruhig wie in der Nachbarschaft des Leipziger Paulinums. Es war meine Gewohnheit, des Morgens aus dem Quartier auf gut Glück zum Frühstück auszugehen und mich an das erste beste Wirtshaus an der Straße zu halten. Die Gegend war paradiesisch links und rechts, aber zu essen fand sich nichts. Hinter Macerata geht der Weg links nach Abruzzo ab, und ich geriet in große Versuchung, mich dort hinunter nach Fermo und Bari zu schlagen. Bloß mein Versprechen in Ancona hielt mich zurück. Ich bat die guten Bruttier um Verzeihung für mein Mißtrauen und meinen Unglauben und wanderte fürbaß. Der Hunger fing an, mir ziemlich unbequem zu werden, als ich rechts am Wege ein ziemlich schmutziges Schild erblickte und nach einem Frühstück fragte. Da war nichts als Klage über Brotmangel. Endlich fand sich, da ich viel bat und viel bot, doch noch Wein und Brot. Das Brot war schlecht, aber der Wein desto besser. Ich war nüchtern, hatte schon viel Weg gemacht, war warm und trank in großen Zügen das Rebengeschenk, das wie die Gabe aus Galliens Kampanien perlte und wie Nektar herunterglitt. Ich trank reichlich, denn ich war durstig, und als ich die Kaupone verließ, war es, als schwebte ich davon, und als wäre mir der Geist des Gottes sogar in die Fersen gefahren. So viel erinnere ich mich, ich machte Verse, die mir in meiner Seligkeit ganz gut vorkamen. Schade, daß ich nicht Zeit und Stimmung hatte, sie aufzuschreiben; so würdest Du doch wenigstens sehen, wie mir Lyäus dichten hilft, denn meine übrige Arbeit ist sehr nüchtern. Die Feldarbeiter betrachteten mich aufmerksam, wie ich den Weg dahinschaukelte; und ich glaubte, ich tanzte die Verse ab. Da fragte mich ganz traulich-pathetisch ein Eseltreiber:
»Volete andare a cavallo, Signore?«
Ich sah seine Kavallerie an, rieb mir zweifelnd die Augen und dachte: Sonst macht wohl der Wein die Esel zu Pferden, hat er denn hier die Pferde zu Eseln gemacht? Aber ich mochte reiben und gucken, so viel ich wollte, und meine Nase komisch mit dem hofmannischen Glase bebrillen, die Erscheinungen blieben Esel; und ich gab auf den wiederholten Ehrenantrag des Mannes den diktatorischen Bescheid: »
Io sono pedone e non voglio andare a cavallo sull' asino.«
Die Leute sahen mich an und der Eseltreiber mit und lächelten über meinen Gang und meine Sprache, aber waren so gutartig und lachten nicht. Das waren urbane Menschenkinder; ich glaube fast, daß im gleichen Falle die Deutschen gelacht hätten.
    In Tolentino gings gut, und ich ließ mich überreden, von hier aus durch die Apenninen, denen man nichts Gutes zutraut, ein Fuhrwerk zu nehmen, um nur nicht ganz allein zu sein. Hier kommt der Chiente den Berg herunter und ist für Italien ein ganz hübscher Fluß, hat auch etwas besseres Wasser als die übrigen. Man geht nun einige Tagereisen zwischen den Bergen immer an dem Flusse hinauf, bis zu seinem Ursprunge bei Colfiorito, wo er aus einem See kommt, in welchem sich das Wasser rund umher aus den höchsten Spitzen der Apenninen sammelt. Ich hatte einen Wagen gemietet, aber der Wirt als Vermieter kam mit der Entschuldigung, es sei jetzt eben keiner zu finden; ich müsse zwei Stunden warten. Das war nun nicht erbaulich. Ärgernis hätte mich aber nur mehr aufgehalten; ich faßte also Geduld

Weitere Kostenlose Bücher