Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
das erste. Spiel und Weibergalanterie und das verfluchte oft abwechselnde Cicisbeat seien die stärksten Gegenstände des Aufwands; und doch sei das Cicisbeat hier noch nicht so herrschend als in Rom. Wenn Du mir einwendest, daß das ein Lohnbedienter spricht, so antworte ich: »Jeder hat sein Wort in seinem Fache, und hier ist der alte Kerl in dem seinigen. Seine Amtsbrüder in Leipzig und Berlin können gewiß auch weit bessere Nachrichten über gewisse Artikel geben, als man auf dem Rathause finden würde. Jeder hat seine Sphäre, der Finanzminister und der Torschreiber.« Ich sah die Kirche des heiligen Januar in der Stadt; Neapel sollte, täuscht mir, eine bessere Kathedrale haben. Das Vorzügliche darin sind einige merkwürdige Grabsteine und die Kapelle des Heiligen. Dieses ist aber nicht der Ort, wo er gewöhnlich schwitzen muß; das geschieht vor der Stadt in dem Hospital bei den Katakomben. In den Katakomben kroch ich über eine Stunde herum und beschaute das unterirdische Wesen und hörte die Gelehrsamkeit des Cicerone, der, wie ich vermutete, Glöckner des Hospitals war. Über den Grüften ist ein Teil des Gartens von Capo di monte. Der Führer erzählte mir eine Menge Wunder, welche die Heiligen Januarius und Severus hier ganz gewiß getan haben, und ich war unterdessen mit meinen Konjekturen bei der Entstehung dieser Grüfte. Hier und da lagen in den Einschnitten der Zellen noch Skelette und zuweilen ganze große Haufen von Knochen, wie man sagte, von der Zeit der großen Pest. Die römischen Katakomben habe ich nicht gesehen, weder nahe an der Stadt noch in Rignano, weil mich verständige Männer und Kenner versicherten, daß man dort sehr wenig zu sehen habe und es nun ganz ausgemacht sei, daß das Ganze weiter nichts als Puzzolangruben gewesen, die nach und nach zu dieser Tiefe und zu diesem Umfang gewachsen. Das ist begreiflich und das wahrscheinlichste.
Die heilige Klara hat das reichste Nonnenkloster in der Stadt und eine wirklich sehr prächtige Kirche, wo auch die Kinder des königlichen Hauses begraben werden. Die Nonnen sind alle aus den vornehmsten Familien, und man hat ihre Torheit und ihr Elend so glänzend als möglich zu machen gesucht. Mein alter Genuese, der ein großer Hermeneute in der Kirchengeschichte ist, erzählte mir bei dieser Gelegenheit ein Stückchen, das seinen Exegetentalenten keine Schande macht, und dessen Würdigung ich den Kennern überlasse. Die heilige Klara war eine Zeitgenossin des heiligen Franziskus und des heiligen Dominikus; und man gibt ihr Schuld, sie habe beide insbesondere glauben lassen, sie sei jedem ausschließlich mit sehr feuriger christlicher Liebe zugetan. Dieses tut ihr in ihrer Heiligkeit weiter keinen Schaden. Jeder der beiden Heiligen glaubte es für sich und war selig, wie das zuweilen auch ohne Heiligkeit zu gehen pflegt. Dominikus war ein großer, starker, energischer Kerl, ungefähr wie der Moses des Michel Angelo in Rom, und sein Nebenbuhler Franziskus mehr ein ätherischer, sentimentaler Stutzer, der auch seine Talente zu gebrauchen wußte. Nun sollen auch die heiligen Damen zu verschiedenen Zeiten verschiedene Qualitäten lieben. Der handfeste Dominikus traf einmal den brünstigen Franziskus mit der heiligen Klara in einer geistlichen Extase, die seiner Eifersucht etwas zu körperlich vorkam; er ergriff in der Wut die nächste Waffe, welches ein Bratspieß war, und stieß damit so grimmig auf den unbefugten Himmelsführer los, daß er den armen, schwachen Franz fast vor der Zeit dahingeschickt hätte. Indes der Patient kam davon, und aus dieser schönen Züchtigung entstanden die Stigmen, die noch jetzt in der christlichen Katholizität mit allgemeiner Andacht verehrt werden. Ich habe, wie ich Dir erzählte, ihm in Rom gegenüber gewohnt und sie dort hinlänglich in Marmor dokumentiert gesehen. Mein Genuese sagte mir die heilige Anekdote nur vertraulich ins Ohr und wollte übrigens als ein guter Orthodox weiter keine Glosse darüber machen, als daß ihm halb unwillkürlich entfuhr:
»Quelles bêtises on nous donne à digérer! Chacun les prend à sa façon.
«
Heute besuchte ich auch Virgils Grab. Die umständliche Beschreibung mag Dir ein anderer machen. Es ist ein romantisches, idyllisches Plätzchen, und ich bin geneigt zu glauben, der Dichter sei hier begraben gewesen, die Urne mag nun hingekommen sein, wohin sie wolle. Das Gebäudchen ist wohl nichts anderes als ein Grab, nicht weit von dem Eingange der Grotte Posilippo, und eine der
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