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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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nicht weit von der Villa Reale nahmen mich eine Menge Bootsleute in Beschlag, die mich an die Spitze hinausrudern wollten. Es schien mir für den Vormittag zu spät zu sein, deswegen wollte ich nichts hören. Aber man griff mich auf der schwachen Seite an; man blickte auf die See, welche sehr hoch ging, an den Himmel, wo Sturm hing, und auf mich mit einer Miene, als ob man sagen wollte: das wird dich abhalten. Dieser Methode war nicht zu widerstehen, ich bezahlte die Gefahr sogleich mit einem Piaster mehr und setzte mich mit meinem alten Genuesen in ein Boot, das ich erst selbst herunterziehen half. Der Genuese hatte auch mehrere Seereisen gemacht und hatte Mut wie ein Delphin. Aber die Fahrt ward ihm doch etwas bedenklich; der Sturm heulte von Sorrent und Capri gewaltig herüber, und die Wogen machten rechts eine furchtbare Brandung, das Wasser füllte reichlich das Boot, und der Genuese hatte in einem Stündchen die Seekrankheit bis zu der letzten Wirkung. Ich wollte um das Inselchen Nisida herumgerudert sein, das war aber nicht möglich; wir mußten, als wir einige hundert Schritte vor dem Einsiedler vorbei waren, umkehren und unsere Zuflucht in ein einsames Haus nehmen, wohin man in der schönen Zeit von der Stadt aus zuweilen Wasserpartien macht, wo es aber jetzt traurig genug aussah. Indessen fütterte uns doch der Wirt mit Makkaroni und gutem Käse. Nicht weit von hier, nahe an dem Inselchen Nisida, auf welchem auch Brutus vor dem Tode der Republik sich einige Zeit aufgehalten hat, sind die Trümmern eines alten Gebäudes, die aus dem Wasser hervorragen, und die man gewöhnlich nur Virgils Schule nennt. Wenn man nun gleich den Ort wohl sehr uneigentlich Virgils Schule nennt, so ist es doch sehr wahrscheinlich, daß er hier oft gearbeitet haben mag. Es ist eine der angenehmsten klassischen mythologischen Stellen, welche die Einbildungskraft sich nur schaffen kann. Vermutlich gehörte der Platz zu den Gärten des Pollio. Er hatte hier um sich her einen großen Teil von dem Theater seiner Aeneide, alle Örter, die an den Meerbusen von Neapel und Bajä liegen, von den Phlegräischen Feldern bis nach Sorrent.
    Nicht weit von der Landspitze und von dem Wirtshause, wo ich einkehrte, stand ehemals ein alter Tempel der Fortuna, von dem noch einige Säulen und etwas Gemäuer zu sehen sind. Jetzt hat man an dem Orte ein christliches Kirchlein gebaut und es der
Madonna della fortuna
geweiht. Man hat bekanntlich manches aus dem Heidentum in den christlichen Ritus übergetragen, die Saturnalien, das Weihwasser und vieles andere; aber besser hätte man nicht umändern können, denn es ist wohl auf der ganzen Erde, in der wahren Geschichte und in der Fabellehre, kein anderes Weib, das ein solches Glück gemacht hätte als diese Madonna. Ein wenig weiter landeinwärts sind in den Gärten noch die gemauerten Tiefen, die man mit Wahrscheinlichkeit für die Fischhälter des Pollio annimmt und in dieser Meinung eine große marmorne Tafel an der Tür angebracht hat, auf welcher lateinisch alle Greuel abscheulich genug beschrieben sind, die der Heide hier getrieben hat; wo denn natürlich die Milde unserer Religion und unserer Regierungen echt kardinalisch gepriesen wird. Ich weiß nicht, ob man nicht vielleicht mit dem britischen Klagemann sagen sollte: »
A bitter change, severer for severe!
« Es ist jetzt kaum ein Sklave übrig, den Pollio in den Teich werfen könnte.
    Mein Genuese bat mich um alles in der Welt, ihn nicht wieder ins Boot zu bringen. Auch ich war sehr zufrieden, auf einem andern Wege nach der Stadt zurückzukehren. Ich zahlte also die Bootsleute ab, und wir gingen auf dem Rücken des Posilippo nach Neapel. Diese Promenade mußt Du durchaus machen, wenn Du einmal hierher kommst; sie ist eine der schönsten, die man in der herrlichen Gegend suchen kann. Lange Zeit hat man die beiden Meerbusen von Neapel und Bajä rechts und links im Gesicht, genießt sodann die schöne Übersicht auf die Partie jenseits des Berges nach Pozzuoli, welche die Neapolitaner mit ihrer verkehrten Zunge nur
chianura
oder die Ebene nennen. Man kommt nach ungefähr vier Millien des herrlichsten Weges in der Gegend von Virgils Grabe wieder herunter auf die Straße. Der Spaziergang ist freilich etwas wild, aber desto schöner.
    Man sagte mir, die Regierung habe wollen eine Straße rund um den Posilippo herum auf der andern Seite nach Pozzuoli führen, so daß man nicht nötig hätte, durch die Grotte und die etwas ungesunde Gegend jenseits

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