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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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und mir ist sie im Fache der Klassiker reicher vorgekommen als Sankt Marcus in Venedig. Eine Seltenheit ist der chinesische Konfuzius mit der lateinischen Interlinearversion von den Jesuiten, deren Missionsgeschäft in China damals glückliche Aussichten hatte. Hier habe ich weiter noch nichts getan als Orangen gegessen, das Theater der heiligen Cäcilia besehen, bin in der Flora und am Hafen herumgewandelt und auf dem alten Erkte oder dem Monte Pellegrino gewesen. Von hier aus, sagte man mir, ist es durchaus nicht möglich, ohne Führer und Maulesel durch die Insel zu reisen. Selbst die Herren Bouge und Caillot, an die ich von Wien aus wegen meiner fünf Dreier hier gewesen bin, sagen, es werde sich nicht tun lassen. Ich habe nicht Lust, mich jetzt noch hier länger aufzuhalten, lasse eben meine Stiefeln besohlen und will morgen früh in die Insel hineinstechen. Da ich barfuß nicht wohl ausgehen kann und doch etwas anderes zu schreiben eben nicht aufgelegt bin, habe ich mich hingesetzt und in Sizilien einen Sizilier, nämlich den Theokritus, gelesen. Der Zyklops kam mir eben hier so drollig vor, daß ich die Feder ergriff und ihn unvermerkt niederschrieb. Ich will Dir die Übersetzung ohne Entschuldigung und Präambeln geben und werde es sehr zufrieden sein, wenn Du sie besser machst; denn ich habe hier weder Apparat noch Geduld und wäre mit ganzen Stiefelsohlen wohl schwerlich daran gekommen. Also wie folgt:

    Nicias, gegen die Liebe, so täuscht mich, gibt es nicht andres
    Pflaster und keine andere Salb' als Musengesänge.
    Lindernd und mild ist das Mittel, doch nicht so leicht es zu finden.
    Dieses weißt Du, glaub' ich, sehr wohl, als Arzt und als Liebling,
    Als vorzüglicher Liebling der helikonischen Schwestern.
    Also lebte bei uns einst leidlich der alte Zyklope
    Polyphemus, da heiß er in Galateen entbrannt war.
    Nicht mit Versen liebt' er und Äpfeln und zierlichen Locken,
    Sondern mit völliger Wut, hielt alles andre für Tand nur.
    Oft, oft kamen die Schafe von selbst zurück von der Weide
    Zu der Hürd', und der Hirt saß einsam und sang Galateen
    Bis zum Abend vom Morgen schmelzend am Ufer im Riedgras,
    Mit der schmerzlichen, schmerzlichen Wunde tief in dem Herzen,
    Von der Zyprischen Göttin, die ihm in die Leber den Pfeil warf.
    Aber er fand das Mittel; er setzte sich hoch auf den Felsen,
    Schaute hinaus in das Meer und hob zum Gesange die Stimme:
    Ach Galatea, Du Schöne, warum verwirfst Du mein Flehen?
    Weißer bist Du wie frischer Käs und zarter wie Lämmer,
    Stolzer wie Kälber und herber wie vor der Reife die Traube.
    Also erscheinest du mir, wenn der süße Schlaf mich beschleichet;
    Also gehst Du von mir, wenn der süße Schlaf mich verläßt;
    Fliehest von mir wie ein Schaf, das den Wolf, den grauen, erblickte.
    Mädchen, die Liebe zu Dir schlich damals zuerst in das Herz mir,
    Als mit meiner Mutter Du kamst, Hyazinthen zu sammeln
    Auf dem Hügel, und ich die blumigen Pfade Dich führte.
    Seitdem schau ich immer Dich an und kann es durchaus nun,
    Kann es nicht lassen; doch kümmert es Dich beim Himmel auch gar nichts.
    Ach ich weiß wohl, liebliches Mädchen, warum Du mich fliehest:
    Weil sich über die ganze Stirne mir zottig die Braue,
    Von dem Ohre zum Ohre gespannt, die einzige, lang zieht,
    Nur ein Auge mir leuchtet und breit mir die Nase zum Mund hängt.
    Aber doch so wie ich bin hab' ich tausend weidende Schafe,
    Und ich trinke von ihnen die süßeste Milch, die ich melke:
    Auch geht mir der Käse nicht aus im Sommer, im Herbst nicht,
    Nicht im spätesten Winter; die Körbe über den Rand voll.
    Auch kann pfeifen ich schön, wie keiner der andern Zyklopen,
    Wenn, Goldäpfelchen, Dich und mich den Getreuen, ich singe
    Oft in der Tiefe der Nacht. Ich füttr' elf Hirsche mit Jungen.
    Alle für Dich, und für Dich vier junge zierliche Bären.
    Komm, ach komm nur zu mir! viel findest der Schätze Du mehr noch.
    Laß Du die bläulichen Wogen nur rauschen am Felsengestade;
    Süßer schläfst Du bei mir gewiß die Nacht in der Grotte.
    Lorbeer hab' ich daselbst und schlanke, leichte Zypressen,
    Dunkeln Efeu zur Laub' und süß befruchteten Weinstock;
    Frisches Wasser, das mir der dicht bewaldete Ätna
    Von dem weißesten Schnee zum Göttertranke herabschickt.
    Sprich, wer wollte dagegen die Wogen des Meeres erwählen?
    Und bin ich ja für Dich, mein liebliches Mädchen, zu zottig,
    Ei, so haben wir eichenes Holz und glühende Kohlen:
    Und von Dir vertrag' ich, daß Du die Seele mir

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