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Spiegelriss

Spiegelriss

Titel: Spiegelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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legt mir den Arm um die Schultern, macht den Zwillingen ein Zeichen, dass sie mich loslassen, und führt mich zum Tisch. Ich setze mich an meinen Platz, greife nach dem Löffel. Die anderen nehmen ihre Plätze ein. Laura angelt die Schöpfkelle aus dem Topf und füllt heiße Suppe in meinen Teller. Ich führe den Löffel zum Mund, spüre, wie der Duft mich ausfüllt und mir das Gefühl gibt, alles könnte wieder gut werden. Sobald ich runterschlucke, fühle ich mich gestärkt. Blitzschnell habe ich meinen Teller geleert, nun bin auf einmal sehr müde und würde mich am liebsten hinlegen und endlich einschlafen – ohne Träume und wilde Herumrennerei.
    »Du kannst dich sofort hinlegen«, sagt Laura. Entweder sie kann neuerdings meine Gedanken lesen oder… ich habe mein Gähnen dann doch nicht hinter meiner Hand verbergen können.
    »Ich kann mich nicht hinlegen«, wehre ich müde ab. »Ich habe es eilig. Ich muss weiter. Hast du eine Ahnung, was da draußen los ist?«
    »Ja«, sagt sie ernst.
    »Draußen brennt auch alles.«
    »Ja«, sagt sie.
    »Und warum tust du dann nichts?«, brause ich plötzlich auf, um sofort wieder zusammenzusinken, weil mir der Grund einfällt. »Weil ich den Wald in Brand gesetzt habe und das Feuer griff auf die Quadren über und hat sie zerstört. Deswegen bist du hier gefangen.«
    Sie schüttelt traurig den Kopf.
    »Nein? Du greifst viel eher nicht ein, weil du eine Phee bist und weil es dir letztendlich egal ist, was mit den Normalen und den Freaks da draußen passiert«, sage ich. »Du hättest es gern anders, aber in Wahrheit ist es dir egal. Du willst nur deine Ruhe.«
    Sie schaut mich an, sagt nicht Ja, widerspricht mir aber auch nicht.
    »Hätte mich das Kind nicht in diese andere Zeit geholt, in der ich ein unzerstörtes Quadrum gefunden hatte, hätten wir uns womöglich nie wiedergesehen«, sage ich verzweifelt. »Wir wären für immer getrennt. Wäre dir auch das egal gewesen?«
    »Wie soll man uns trennen können?«, fragt Laura, als verstünde sie es wirklich nicht.
    Ich sehe sie misstrauisch an.
    »Und welche Zeit ist es gerade, in der wir uns hier befinden? Vergangenheit, Gegenwart? Oder vielleicht sogar…« Ich wage kaum, es auszusprechen. »Zukunft?«
    »Juli, im Wald gibt es keine Zeit«, sagt Laura.
    »Aber ich habe hier Szenen aus der Vergangenheit gesehen!«, protestiere ich.
    »Du kannst hier alles Mögliche sehen. Weil es die Zeit nicht gibt.«
    »Ich habe ein Kind getroffen, das ich selber bin!«, brülle ich.
    Laura lächelt.
    »Das ist nicht komisch!«
    »Doch. Der Wald ist groß genug für alle. Ich würde es allerdings vorziehen, mir selber aus dem Weg zu gehen.«
    »Ich verstehe es nicht«, sage ich verzweifelt. »Kapiert ihr es denn?«, richte ich mich an die Zwillinge. Doch, sie sind wirklich größer geworden seit dem letzten Mal. Sie nicken gleichzeitig. Soll meine Mutter erzählen, was sie will – ich bin mir auf einmal sicher, dass ich hier einer zukünftigen Version meiner Familie gegenübersitze. Warum ist mein Platz leer, gibt es mich hier nicht mehr?
    »Vielleicht bin ich zu doof dazu«, sage ich. »Ihr versteht es, weil ihr Pheen seid. Und ich bin zu normal.«
    Kassie und Jaro schauen mich an. Ich habe diesen vollkommen identischen Ausdruck in ihren Gesichtern noch nie gesehen. Sie wissen etwas Neues über mich, und das verheißt nichts Gutes. Wahrscheinlich eben, dass ich normal bin. Eine Enttäuschung. Eine Hochstaplerin, die draußen als Erlöserin gefeiert wird. Keine Phee würde sich das gefallen lassen. Deswegen gibt es dort auch keine Pheen mehr. Es ist ihnen zu lästig geworden.
    Ich stehe auf und gehe zum Fenster, schaue hinaus in den rauschenden Wald.
    »Ich muss zurück«, sage ich. »Im Gegensatz zu euch habe ich draußen noch jemanden, der mir etwas bedeutet. Wie komme ich bloß hier wieder raus? Das kleine Kind, ich meine, ich selbst, hat mich im Hauptquartier in eine andere Zeit geführt, wo ich ein unzerstörtes Quadrum gefunden habe. Jetzt ist das Kind aber abgehauen.«
    Muss Laura ausgerechnet jetzt so versonnen lächeln und »Ja, das hast du früher immer getan« sagen?
    »Woher habe ich die Narben, Laura?«, frage ich, ohne sie anzusehen. Ich denke nicht einmal daran, dass es besser wäre, diese Frage unter vier Augen zu stellen. Ich will es jetzt auf der Stelle erfahren. »Ich bin als Kind gar nicht hingefallen. Es gab auch keinen Unfall, wie Ingrid mir früher erzählt hat. Hatte ich wirklich Flügel, wie es alle da draußen

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