Rockoholic
KAPITELÂ 1
EINE BEISETZUNG NACH SEINEM GESCHMACK
Für unsere Lokalzeitung ist der Tod meines Opas »ein schrecklicher Unfall, der Bristols Stadtzentrum lahmlegte«. Für meine Mum ist er eine Blamage hoch zehn, die ihren Kollegen von der Bank eine Woche lang etwas zum Tuscheln gab. Für mich bedeutet er ein Meer von Trauer, das eine Wüste füllen könnte.
Und jetzt findet die Beisetzung statt und alles fühlt sich falsch an. Mein Opa hätte nicht gewollt, dass die Leute Schwarz tragen. Er hätte gewollt, dass die Trauernden in Saris oder Neoprenanzügen oder in Hula-Aufmachung mit Baströckchen kommen. Er wollte auch eine Abschiedsfeier mit allen Schikanen, mit weiblichen Bodybuildern, die seinen Goldsarg tragen, und mit Kanonen, die als Höhepunkt des Tages seine Asche in die Luft feuern.
»Und es soll auch nicht Beisetzung heiÃen, Jody. Lade die Leute zu meinem Body Barbecue ein. Das klingt doch viel lustiger.«
Meine Mum trägt ein graues Kostümchen und auf Hochglanz polierte Schuhe. Alles, was mein Opa je getan hat, war ihr immer furchtbar peinlich. Die Anzeige in der Zeitung lautete schlicht: Beisetzung von Charles Nathaniel McGee. Anstelle von Blumen wird um eine Spende für die Krebsforschung gebeten. Alles musste zu hundert Prozent würdig sein. Aber für mich war dieser ganze Tag einfach nur verachtungswürdig.
Und für den Leichenschmaus sind wir jetzt also hier in diesem versnobten Laden, Torrance Lodge. Mum und meine Schwester haben sich unter unsere schottischen Verwandten gemischt, die wir seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben, und saugen sich krampfhaft Gründe aus den Fingern, warum wir uns nie gemeldet haben. Mehrere nach Seife riechende alte Frauen haben mit Entzücken festgestellt, wie groà ich geworden bin, seit sie mich zum letzten Mal gesehen haben â was vermutlich noch vor meiner Zeugung gewesen ist. Und jetzt verstecke ich mich unterhalb der Treppe, um aus der Schusslinie zu sein. Soll doch Halley die volle Dröhnung abkriegen. Sie liebt es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Alle halten sie für den Superstar der Familie, mit ihren ganzen Sportmedaillen und Auszeichnungen und Olympia-Aussichten. Mir jedenfalls reichtâs. Und wie mein Opa immer meinte:
»Wenn du nichts Nützliches zu sagen hast, dann kratz am besten die Kurve.«
Er war früher mal Schlagzeuger in einer Band. Er hatte Brustwarzenpiercings und rauchte Gras und nahm an Festivals teil. Er hat immer nackt auf dem Dach unseres Hauses im Mondschein gebadet, er hat einen Bungee-Sprung hingelegt und ist ohne Klamotten am Great Barrier Reef geschwommen. Er hat Bohemian Rhapsody geliebt und ist immer durch die Diele getanzt, zusammen mit der Schaufensterpuppe, die er vor einem Klamottengeschäft geklaut hatte. Er hat sich Heavy-Metal-Musik und Sushi und eine Schokoladenfontäne zu seinem Leichenschmaus gewünscht. Nicht James Blunt und billige Würstchen im Schlafrock von Lidl.
Ich kauere mich ans Geländer, iPod-Kopfhörer in den Ohren, Kapuze auf dem Kopf, und sehe aus wie einem Werbeplakat des Jugendnotrufs entstiegen. Ich schlieÃe meine Augen und stelle mir vor, wie Jackson für mich singt. Das Gleiche mache ich abends, wenn ich nicht einschlafen kann. Ich stelle mir vor, dass er neben mir liegt, sein Atem streift mein Gesicht, während er für mich singt und mir übers Haar streicht. Als ich die Augen aufmache, wirft mir Mum aus dem Empfangsraum, wo sich alle den Wanst mit Pudding und Eiscreme vollschlagen, einen strafenden Blick zu, der mir sagen will: »Jetzt rede gefälligst mit den Gästen.« Im angrenzenden Schankraum lassen fünf Kinder, offenbar meine Cousins dritten Grades, Kugeln auf dem Billardtisch hin und her rollen.
Jemand kommt auf mich zu. Nike High Tops mit blauen Haken. Schwarze Skinny-Jeans. Brieftaschen-Kette. WeiÃes T-Shirt mit Graffiti-Druck. Und eine von Opas blauen Westen. Ich ziehe mir die Kopfhörer aus den Ohren.
»Alles klar, SüÃe?«, fragt Mac und stellt ein Glas Cola neben mich auf die Stufe. »Sorry, ich wurde von diesem alten Knacker aufgehalten, der mir von seiner Prostata erzählen musste. Bitte, für dich.«
»Schon okay, Jackson war ja bei mir«, antworte ich.
Er rollt mit den Augen. Mac steht mehr auf Musical-Melodien und Lady Gaga als auf Rock, aber er weiÃ, dass The Regulators der Soundtrack zu meinem Leben sind, drum hat er
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