Spiegelschatten (German Edition)
ten hin.
Er trug jetzt einen silbernen Ring, den Griet für ihn entworfen hatte, und den er niemals ablegte. Der schimmernde Ring machte seine schmalen, dunklen Hände noch schöner, noch verführerischer.
Maxim begriff nicht, was Björn sofort klar gewesen war: Griet hatte ihn mit diesem Ring an sich gebunden.
Doch darüber konnten sie nicht sprechen. Maxim begann, äußerst reizbar zu reagieren, wenn Björn den Namen Griet auch nur erwähnte.
» Ich bin auf der Suche.«
Mit solchen Äußerungen hielt er Björn auf Abstand.
Auf der Suche. Bullshit. Auf der Suche wonach?
Nach mir selbst. Nach der Liebe. Nach der Antwort auf meine Fragen.
Nach Griet.
Nach dir.
Nach …
All das hätte Maxim antworten können. Doch er gestattete gar nicht erst eine Frage, auf die er hätte antworten müssen.
Björn ging fast vor die Hunde. Er hatte keinen Appetit mehr, vernachlässigte sein Studium und seine Freunde. Sein Zimmer wurde zu einem Gefängnis, in dem er sich selbst einsperrte. Die Eifersucht fraß ihn auf. Sie ließ ihn nicht aus den Klauen, nicht mal im Schlaf. Aber immer wieder rief er Maxim an. Nicht eine Sekunde lang dachte er daran, ihn aufzugeben.
Und jetzt war Maxim hier.
Bei ihm.
Wie durch ein Wunder.
Seit drei langen, kostbaren Tagen waren sie zusammen.
Nicht zu eng. Das machte Maxim rasend. Er konnte es nicht ertragen, wenn man ihm auf die Pelle rückte. Aber doch zusammen. Sie trafen sich mit Freunden, bummelten durch Bonn, gingen zum Essen aus, redeten.
Und liebten einander.
Jetzt saß Björn in der Cafeteria im Hauptgebäude der Uni und wartete auf Leonard Blum. Er hatte ihn an seinem allerersten Tag an der Uni genau hier kennengelernt, sie waren ins Gespräch gekommen und hatten sich danach mehrmals getroffen.
Leonard, der voller Begeisterung über Romane und Theaterstücke sprechen konnte, von technischen Dingen jedoch so gut wie nichts verstand, hatte Björn schließlich von einem Problem mit seinem Computer erzählt. Und Björn, der sich nicht ohne Grund für das Studienfach Informatik entschieden hatte und sich mit Computern bestens auskannte, hatte sich bereit erklärt, ihm zu helfen, es zumindest zu versuchen.
In kürzester Zeit waren sie trotz des Altersunterschieds Freunde geworden.
Im Augenblick allerdings hätte Björn die kostbare Zeit lieber mit Maxim verbracht.
Es war kurz vor drei und die Sonne schien durch die staubigen Fensterscheiben. Bald würde der Frühling kommen. Vielleicht konnte Björn Maxim ja überreden, an die Uni Bonn zu wechseln. Oder aber er selbst würde nach Berlin ziehen.
Falls diese Möglichkeiten für Maxim überhaupt noch in Betracht kamen.
Plötzlich hatte Björn einen bitteren Geschmack im Mund. Er begriff, dass sie– egal, wie es ausgehen mochte– einen Weg finden mussten, um einander nicht zu verlieren. Und das möglichst rasch.
3
Schmuddelbuch, Dienstag, 1. März, fünfzehn Uhr, Redaktion
Zwei Anrufe, bei denen sich niemand gemeldet hat. Ich hab den Typen (es war garantiert keine Frau) atmen hören. Es machte nicht den Eindruck, als wollte er sich an irgendwas aufgeilen. Ich glaube, er wusste bloß nicht, wie er das, was er sagen wollte, ausdrücken sollte. Oder er traute sich ganz einfach nicht, mit der Sprache rauszurücken.
Hier rufen häufig Spinner an, die sich wichtigtun wollen. Meistens kann man sie nicht bremsen. Sie behaupten, brandheiße Informationen zu besitzen, bieten Enthüllungsgeschichten über irgendwelche Promis an. Einschüchterungsversuche hat es auch schon gegeben. Morddrohungen sogar.
Beunruhigt.
Dabei kann ich das überhaupt nicht brauchen. Ich muss mein Interview fertig kriegen…
Calypso hatte Lampenfieber. Sie spielten heute eine Szene, auf die sie sich nur einen Tag vorbereiten konnten. Thaddäus hatte sie in sechs Paare eingeteilt. Es war eine Szene, in der ein Mann und eine Frau in einem Café sitzen, ins Gespräch kommen und sich ineinander verlieben. Am Ende stellt sich heraus, dass sie sich gar nicht wirklich in einem Café befinden, sondern in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik.
Die Szene an sich war schon schwierig genug. Was die Aufgabe noch problematischer machte, war die Tatsache, dass es nur fünf Mädchen in Calypsos Schauspielklasse gab, weshalb Calypso schließlich mit Leon ein Paar bilden musste.
Die Schauspielschule Orson in Köln arbeitete ausschließlich mit Dozenten, die aus der Praxis kamen. Schauspieler, Regisseure, Dramaturgen, Tänzer, Sänger und sogar Clowns.
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