Spiel der Herzen
einem Grinsen des Glücks, Werner.
»Du kannst gehen, wohin du willst.«
»Was?« stieß er noch einmal erschrocken hervor.
»Ich folge dir überallhin.«
»Clara!« rief er. »Dann sage ich dir gleich unser nächstes Ziel …«
»Welches?«
»Das Standesamt.«
»Ja!« Es war ein Jubelruf. Das Glück drohte Clara zu überwältigen. Trotzdem behielt sie jedoch noch Witz genug, um nach einem Weilchen hinzuzufügen: »Ich weiß aber unser allernächstes Ziel …«
»Was für eins?«
Sie blickte zur Tür, die ins Schlafzimmer führte.
Seit Helga allein war, interessierte sie sich für die Dinge, die früher ihren Tag ausgefüllt hatten, kaum mehr. Sie hielt das Haus nur noch notdürftig in Ordnung. Kochen und Backen – Tätigkeiten, die sie früher gern ausgeübt hatte – entfielen fast ganz. Die Anzeichen im Garten – daß ihn niemand mehr pflegte – mehrten sich. Einladungen ergingen keine mehr. Helga kapselte sich völlig ab. Einer der wenigen Menschen, der für sie noch als eine Kontaktperson mit dem Leben außerhalb ihres Hauses gelten konnte, war der Briefträger. Seinem täglichen Erscheinen blickte sie noch mit einer gewissen Spannung entgegen, die von der Frage am Leben erhalten wurde: Bringt er wieder einen anonymen Brief oder nicht?
Er brachte keinen mehr. Er brachte überhaupt nie mehr einen. Wer die Briefe geschrieben und abgesandt hatte, blieb so für immer im Dunkeln. Sabine Melchior stellte ihr Wirken ein, nachdem es ihr gelungen war, Frank und Helga auseinanderzubringen, und nahm es auch nicht wieder auf, als sich ihre Hoffnungen nicht erfüllten, die sie für ihr persönliches Leben an jene Trennung geknüpft hatte.
Es läutete an der Haustür Helgas. Es war am frühen Abend. Der Briefträger konnte es also nicht sein. Die Geschäfte hatten noch nicht lange geschlossen. Als Helga, die eigentlich gar nicht öffnen wollte, es dennoch tat, sah sie sich Clara v. Berg gegenüber.
Clara erschrak innerlich, es gelang ihr aber, dies nicht nach außen dringen zu lassen. Helga sah erbärmlich aus. Claras Begrüßung wurde von Helga zwar freundlich erwidert, Helga sprach aber keine Einladung, näherzutreten, aus. Clara fragte deshalb von sich aus: »Darf ich reinkommen?«
»Bitte«, nickte daraufhin Helga.
Im Wohnzimmer sagte sie: »Ich kann Ihnen leider nichts anbieten, ich habe buchstäblich nichts im Haus.«
»Wenn Sie mir nur erlauben würden, daß ich mir eine Zigarette anstecke«, antwortete Clara, die sehr mit Nervosität zu kämpfen hatte.
Und dann stellte sich heraus, daß sie gar keine Zigaretten bei sich hatte. Das Päckchen mußte noch in der Boutique liegen, wo sie es vergessen hatte.
Auch in dieser Notlage bedauerte Helga, nicht aushelfen zu können.
»Macht ja nichts«, lächelte Clara.
»Mögen Sie ein Glas Milch? Ein Glas Milch könnte ich Ihnen offerieren.«
»Nein danke.«
»Ich kann mir denken«, sagte nun Helga, »warum Sie gekommen sind, Clara. Sie wurden abgesandt, um mich in die Skatrunde zurückzuholen.«
»Nein, Sie irren sich, Helga.«
»Was dann?«
»Ich war bis gestern in der gleichen Situation wie Sie«, packte Clara den Stier bei den Hörnern.
Ein kurzes Schweigen trat ein. Helga starrte vor sich hin. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Nein«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Niemand ist in der gleichen Situation wie ich.«
»Sie irren sich, Helga, ich war es, und ich habe auch die gleichen Fehler gemacht wie Sie.«
»Ich sehe keine Fehler, die ich mache. Laßt mich bitte deshalb alle in Ruhe.«
»Nein, Helga«, widersprach Clara, die sich vorsehen mußte, sich nicht in Hitze zu reden. »Ihr Mann geht zugrunde.«
»Ich auch.«
»Sehen Sie, das ist ja der Wahnsinn. Genauso war es bei Werner Ebert und mir. Er wäre kaputtgegangen. Ich wäre kaputtgegangen. Und wer hätte sich ins Fäustchen gelacht? Dieselbe minderwertige Person wie bei Ihnen. Und dann sagen Sie, Ihre Situation wäre eine andere. Worin denn?«
Helga war erstarrt.
»Ich weiß nicht, von wem Sie da sprechen«, sagte sie und fügte, um diese Diskussion gleich abzuwürgen, hinzu: »Es interessiert mich auch gar nicht.«
»Einverstanden«, nickte Clara, »reden wir nicht mehr über das Luder. Reden wir über etwas anderes, das mir viel wichtiger erscheint. Es wird Ihnen aber auch das nicht schmecken, tut mir leid, Helga. Man behauptet nämlich, Ihr jetziges Verhalten sei der Beweis, daß Sie Ihren Mann nie geliebt haben, da Sie ihn sonst nicht so vor die Hunde gehen lassen
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