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Spiel des Schicksals

Spiel des Schicksals

Titel: Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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»Hallo?« rief ich in den Hörer.
    Die unpersönliche Stimme der Telefonistin ließ sich in der knisternden Leitung vernehmen: »Ich versuche immer noch, die Verbindung wiederherzustellen. Kann ich Sie zurückrufen?«
    »Nein, es ist dringend. Ich bleibe am Apparat.«
    »Wie Sie wünschen, ich probiere es weiter.«
    Ich lauschte. Es klang, als spräche die Telefonistin hinter einer Glasscheibe.
    Der Aufenthaltsraum war menschenleer. Nach den hektischen Ereignissen der vergangenen Stunde empfand ich die äußere Ruhe, die sich über alles gelegt hatte, nur als scheinbar. Hinzu kam, daß ich nun ungeduldig wartend am Telefon saß. Ich fragte mich, welche Neuigkeiten mich da wohl erwarteten. Immerhin hatte ich seit über vier Jahren keine Verbindung mehr zu Adele gehabt, und die Oberschwester hatte gesagt, der Anruf sei aus Rom gekommen. Rückblickend auf das Durcheinander der letzten Stunde, konnte ich jedoch nicht bestimmen, was mich mehr aufgeregt hatte: die Nachricht, daß ich soeben einen Anruf aus Europa von meiner Schwester Adele erhalten habe, oder der Herzstillstand, der sich gleichzeitig auf dem Operationstisch ereignet hatte.
    »Einen Moment bitte«, meldete sich die Stimme mit dem italienischen Akzent. Die Telefonistin war zu dem Anschluß durchgekommen, dessen Nummer Adele hinterlassen hatte – ein gewisses Hotel Palazzo Residenziale in Rom –, und ich sollte nun gleich mit meiner Schwester, die schon so lange nichts mehr von sich hatte hören lassen, verbunden werden. Bei all meinen wirren Gedanken an die Operation, an den Herzstillstand und die Strapazen meines Berufs versuchte ich auch herauszufinden, was in aller Welt Adele veranlaßt haben mochte, mich anzurufen und – noch rätselhafter – was nach Adeles Meinung wohl so überaus dringend sein könnte. Meine Schwester und ich hatten uns vor langer Zeit sehr nahegestanden. Aber das war vor dem plötzlichen tragischen Tod unserer Eltern und unseres Bruders gewesen. Dieser harte Schicksalsschlag – der Tod von geliebten Menschen – , der Familienmitglieder normalerweise enger zusammenrücken läßt, hatte Adele und mich auf merkwürdige Weise auseinandergebracht. Die Jahre der Trauer und der Schmerz hatten uns entfremdet, hatten Menschen aus uns gemacht, die nur noch höflich miteinander umgingen, bis sich unsere Wege vor vier Jahren endgültig trennten. Ich war damals dreiundzwanzig, Adele zweiundzwanzig. Ich stand gerade in der Ausbildung zur Operationsschwester; Adele bildete sich selbst darin aus, Männer zu betören. Am Tag des Abschieds hatte sie etwas unklar davon gesprochen, daß sie reisen wolle, und ich hatte ein wenig von meinen Berufspflichten geredet. Dann waren wir mit einem schlaffen Händedruck auseinandergegangen, so wie man sich nach einem sonntäglichen Verwandtenbesuch voneinander verabschiedet. Und seit diesem Zeitpunkt bis heute morgen hatte ich nichts mehr von meiner Schwester Adele gehört.
    »Lyddie? Lyddie, bist du das?«
    Beim Klang ihrer Stimme erschien Adele wie ein Geist vor mir. »Ja, bist du es denn wirklich, Adele? Lieber Himmel!«
    »Oh, ich bin ja so froh, daß ich dich erreicht habe. O Lyddie, eine ganz aufregende Sache! Einfach aufregend! Ich kann es gar nicht erwarten, es dir zu erzählen!«
    Mit heller, aus weiter Entfernung kommender Stimme plapperte sie schrill und aufgeregt und in jugendlich-übermütiger Weise darauf los. Als ich diesen vertrauten Klang aus dem Telefon hörte, starrte ich ungläubig auf die Wand mir gegenüber. Sie nannte mich Lyddie! Adele nannte mich Lyddie, als hätten wir uns gestern noch gesehen.
    »Beruhige dich erst mal«, unterbrach ich sie und fühlte schon ein wenig von ihrer Aufregung auf mich überspringen. »Was ist passiert? Geht es dir gut?«
    »Natürlich! Mir geht es einfach großartig. Ich bin in Rom, Lyddie!«
    »Das weiß ich. Ist etwas passiert?«
    »Oh, ich bin nicht krank oder so etwas. Aber es ist trotzdem dringend. Lyddie, kannst du nach Rom kommen?«
    »Ob ich was…?«
    »Hör zu. Ich habe dir etwas geschickt, das alles erklären wird. Es müßte jetzt jeden Tag bei dir eintreffen, denn aus deinen Worten schließe ich, daß du es noch nicht hast. Ich habe es per Luftpost geschickt. Vielleicht hätte ich es als Einschreiben senden sollen. Jetzt bereue ich, daß ich es nicht getan habe. O Lyddie, du mußt einfach kommen, bitte!«
    Es lag eine Anspannung, eine Art Panik in ihrer Stimme, die mich aufhorchen ließ. Adele war offenbar über irgend etwas ganz besonders

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