Spiel des Schicksals
Sie und die Polizei mich einholen würden. Ich bin gestern abend unter dem üblichen Vorwand, daß ich die Nacht im Hotel verbringen wolle, nach Luxor gefahren, und während ich dort war, habe ich mich ein wenig umgesehen. Als ich dann den fetten Kerl sah«, sie machte eine Kopfbewegung in Schweitzers Richtung, »da merkte ich, daß es an der Zeit war.«
»Wo wolltest du denn hin?« fragte ich völlig verwirrt. »Irgendwohin, liebe Schwester, nur weit weg von diesem gottverlassenen Land.«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Wie konnte das meine Schwester Adele sein? Wie konnte sie sich so verändert haben? Und warum?
Achmeds Stimme klang ruhig und sachlich. »Erläutern Sie uns bitte, warum Sie Luxor verlassen wollten.«
Adele sah von ihm zu mir, dann zu Paul Jelks, zu Schweitzer und zuletzt zu Rossiter. Ihre Augen bewegten sich flink und aufgeregt, berechnend. Um uns her wehte ein leichter Wind, der uns feine Schwaden von trockenem Sand ins Gesicht blies. Der Wind klang einsam und hohl, als er so über die endlose Wüste fegte, wie er es schon seit Jahrhunderten tat.
Ich sah, wie meine Schwester plötzlich wie zum Zeichen der Aufgabe die Hände hochriß: »Warum eigentlich nicht?« rief sie in respektlosem Ton. »Was sollte es mir jetzt auch noch einbringen, wenn ich schweige? Sie wollen wissen, warum ich dabei war, Luxor zu verlassen? Also gut, ich werde es Ihnen sagen.«
Ihre Augen blieben schließlich an mir hängen und hielten meinem Blick stand, während sie seelenruhig erklärte: »Ich wollte vor der Polizei davonlaufen.«
»Aber warum denn? Dr. Jelks’ Verbrechen ist doch nicht so groß! Adele…«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem hämischen Lächeln. »Doch nicht wegen Jelks! O Lyddie, so blöd bin ich auch nicht. Soll das heißen, du weißt es wirklich nicht? Du hast es also immer noch nicht erraten?« Ich schüttelte langsam den Kopf.
Schließlich kehrte Adele mir den Rücken und wandte sich dem Mann zu, den zu heiraten sie beabsichtigte. »Ich habe ein falsches Spiel mit dir getrieben, Paul«, erklärte sie ihm, ohne mit der Wimper zu zucken.
Jelks starrte meine Schwester an wie in Trance. Alle anderen standen regungslos und schweigend da. Niemand rührte sich. Adele sprach weiter: »Ich habe wegen des Geldes mitgemacht, Paul, und wegen nichts anderem. In Rom traf ich mich mit Arnold Rossiter, und er machte mir ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. Für eine Weile jedenfalls waren er und ich Partner.«
Noch im Zweifel, ob ich den unerhörten Worten, die meine Schwester da von sich gab, Glauben schenken sollte, murmelte ich: »Warum hast du mich dann eigentlich gerufen?«
»Weil meine ›Partnerschaft‹ eine schlechte Wendung nahm. Rossiter wurde grob mit mir, und ich bekam Angst. Ich konnte nicht zu Paul zurückrennen, nicht nachdem ich geplant hatte, ihn um sein Grab zu betrügen. Ich brauchte jemanden an meiner Seite. Jemanden, dem ich vertrauen konnte. Und du warst die letzte Zuflucht, Lyddie! Ich konnte dir das am Telefon nicht sagen, aber ich dachte, wenn ich dir den Schakal schickte, würde dich das vielleicht veranlassen, nach Rom zu kommen, und irgendwie würde es uns gemeinsam gelingen, mich aus meiner Patsche zu befreien. Ich denke, ich habe mich wohl verrechnet.«
»Aber in Kairo…«
»Ja, ich wußte, daß du in Kairo warst. Aber, um Gottes willen, Lyddie, als ich dich und John Treadwell im Shepheard’s Hotel zusammen im Speisesaal sah, konnte ich es kaum glauben. Daß ihr beide zusammen wart, konnte nur bedeuten, daß Rossiter auch dich irgendwie gekauft hatte. Und meine Chancen, aus diesem Schlamassel herauszukommen, schwanden dahin. Und außerdem war ich schockiert darüber, John Treadwell in Kairo anzutreffen. Ich dachte nicht, daß er den Nerv hätte, sich in Ägypten blicken zu lassen, nicht mit seinem Ruf bei der Polizei. Doch da war er, Rossiters rechte Hand, und mit keiner Geringeren als meiner Schwester. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. So ergriff ich die Gelegenheit, an John heranzutreten, als er allein war. Verstehst du, ich hatte Angst, daß er Paul alles erzählen würde, was meine Chancen, aus dem Grab Kapital zu schlagen, für immer zunichte gemacht hätte.«
»Du bist an John herangetreten?«
»Mehr als nur an ihn herangetreten, Lyddie. John bedrohte mich. Er wurde unverschämt gegen mich. Da habe ich ihn getötet.«
»Du…«
»Ich kam kurze Zeit später ins Shepheard’s zurück, um dich zu treffen, aber du warst fort. Du warst
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