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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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kann man wohl sagen.
    Ihrem Geschäft tut der Karneval bestimmt gut, aber dem Kopf meines Bruders überhaupt nicht. Sobald der Aufbau beginnt, driftet er wieder in seine Phantastereien ab. Den Rest des Jahres spricht er kaum. Was hat er Ihnen denn erzählt? Hat er erzählt, dass er aus der Irrenanstalt geflohen ist? Oder wie er das große Monster erschlagen hat? Das ist gerade seine Lieblingsgeschichte …
    Das Irrenhaus, sagte ich. Ich muss jetzt los.
    Na gut. Ich danke Ihnen für die Hilfe. Hier ist Ihr Geld.
    Ich danke für den Saft, sagte ich.
    Gerade in diesem Moment kam Lucian herein, voller Ungeduld und freudiger Erregung. Er lief mehrmals um den Billardtisch. Cyprian zog seine Jacke aus und reichte sie dem Bruder.
    Hier, Lucian, zeig mal dem Taxifahrer, wie du dich befreist.
    Lucian legte sich die Jacke über die Schultern, er verschränkte die Arme und zappelte mit dem Oberkörper, als würde er sich aus einer Zwangsjacke befreien.
    Das machte mich traurig, und ich ging.

Zweiter Akt

Aisha
    Als die Bärtige Dame gestorben war, verließ ich ihre Wohnung und wanderte ziellos in diesem neuen Land umher. Mir war, als hätte ich die Ketten abgeworfen, die mich an die Käfige dieser Welt gebunden hatten. Selbst ein Wanderer bleibt irgendwann einmal stehen. Ich ging zu den Zelten und trieb mich zwischen Spielhöllen und Jahrmarktständen herum. Ich nahm ein Gewehr und zielte auf Holzenten in einem winzigen Teich, ich richtete den Strahl der Wasserpistole auf den Mund eines Clowns und schoss, bis der Luftballon in einsamem Gelächter platzte. Immer trug ich ein Buch in der Tasche und einen Hut auf dem Kopf, wenn ich spielte und jeden Preis gewann. Die Stofftiere, meine Trophäen, trug ich auf der Schulter, sie waren mein einziger Trost. Und wieder nahm ich das Gewehr, und bevor ich den Lauf auf die Zielscheibe richten konnte, fragte mich der Schießbudenmann, ob ich nicht für ihn arbeiten wolle.
    Vielleicht, sagte ich.
    Du kennst dich hier aus, das merkt man.
    Ja, stimmt.
    Bist wohl unter Zeltdächern aufgewachsen?
    Ich nickte.
    Du kannst diese Saison bei mir aushelfen, sagte er.
    Ich war einverstanden.
    Du brauchst nichts abzuzweigen, erklärte er, ich werde dich anständig bezahlen.
    Wir nickten uns zu, als Zeichen, dass wir uns verstanden hatten. Die Schießbude war manipuliert, wer in einen solchen Käfig des Betrugs stieg, wusste, dass er entweder kämpfen oder schnell verschwinden musste, sobald er sich die Taschen gefüllt hatte.
    So lernte ich Otto kennen. Es war seine Bude, er selbst stellte mich ein.
    Nachts schliefen wir in einem Zelt. Bei Einbruch der Dunkelheit zog er sich ordentlich an, stieg in seinen Pick-up und fuhr in die Stadt. Nicht einmal forderte er mich auf, ihn zu begleiten. Und ich fragte nie, was er in der Stadt tat. Ich machte vormittags den Stand auf, er schlief bis weit nach Mittag.
    Einmal trat ich früh am Morgen aus meinem Zelt und ging zum Lagerfeuer, ich wollte mir einen Kaffee kochen und hoffte, ein liegen gelassenes Stück Brot zu finden. Da sah ich am Feuer eine Frau. Sie hatte eine Decke um die Schultern gezogen, ihr Haar war mit bunten Perlen geschmückt.
    Wortlos begrüßten wir uns. Wir schwiegen und starrten in die Glut unter der Asche.
    Du bist wohl Fly, sagte sie.
    Ja, antwortete ich.
    Ich bin Aisha, Ottos Freundin.
    Ein schöner Name, sagte ich.
    Sie lächelte. Otto sagt, dass du gern liest.
    Otto hatte es also bemerkt.
    Er mag dich, sagte sie. Ihr seid euch ähnlicher, als ihr vielleicht denkt. Weißt du, wo er nachts immer hinfährt?
    Hab nie gefragt, sagte ich.
    Er kommt zu mir. Er setzt sich an den Schreibtisch und arbeitet bis in die frühen Morgenstunden.
    Was macht er denn?
    Aktionen. Mehr sagte sie nicht.
    Ich kochte Kaffee und reichte ihr eine Tasse.
    Pass auf dich auf, Fly, sagte sie, als ich gehen wollte, wir sehen uns bestimmt wieder.
    Als der Winter kam und die Saison beendet war, wurden die Zelte abgebaut, die Stofftiere fielen in den Winterschlaf, die Luftgewehre schwiegen, und den Wasserclowns verging das Lachen. Als ich das letzte Hemd zusammenrollte, um es in die Tasche zu stopfen, fragte Otto: Weißt du schon, wo du unterkommst?
    Ich ziehe einfach los, sagte ich, es wird sich schon etwas ergeben.
    Aisha sagt, ich soll dir sagen, dass wir dich für eine Weile aufnehmen könnten.
    Wir bogen in Aishas Straße ein, Otto zeigte auf ein Wohnhaus. Wir trugen unsere Taschen nach oben.
    Aisha begrüßte mich mit einem Kuss und sagte: Viel Platz haben wir

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