Spinnen füttern
auf, wedelt mit den Briefen und fragt: Was ist denn nun kaputt? Hören Sie, Sie sollten keine Angst vor Spinnen haben, Sie sind doch kein kleines Mädchen! Und was meinen Sie eigentlich genau, wenn Sie schreiben: juristisch, Flüsse aus Blut … Krieg und Klassengesellschaft … rechtmäßig und ausdrücklich … Wollen Sie mir Angst machen mit Ihren langen Wörtern? Ich habe Ihren Brief einem Anwalt gezeigt, lieber Freund, ich sage nur, geben Sie acht, was Sie da schreiben, mein Anwalt kann Sie nämlich plattmachen. Wenn Sie mir weiter Drohbriefe schreiben und mit roter Tinte Totenkopfflaggen zeichnen … muss ich vielleicht die Miete verdoppeln oder Sie gleich ganz rausschmeißen. Ich habe keine Zeit für so was! Muss ich erwähnen, lieber Freund, dass Ihre Wohnung mit Büchern und Papieren vollgestopft ist, was allerlei Insekten anziehen kann, sogar Nagetiere? Schließen Sie lieber Frieden mit mir, nehmen Sie die Spinnen hin, sie halten die anderen Insekten fern. Und jetzt zeigen Sie mir mal die Überflutung, von der Sie geschrieben haben … und wer ist dieser Moses, den Sie erwähnen, wohnt er etwa hier bei Ihnen …?
Dachleuchte
Unter mir wohnt eine aufgeregte Studentin, die klagt, dass meine schweren Schritte, das schiffsartige Stampfen meines Rumpfes auf einer von Schlaflosigkeit gezeichneten Matratze sowie die Scheuergeräusche, die meine fliegenden Teppiche im Ultraschallbereich verursachen, sie daran hindern, ihr Studium zu meistern, ihr das Leben ruinieren, das sie sich für ihre Zukunft ausgemalt hat, mit gerahmten Diplomen, Limousinen, einer Villa mit Swimmingpool, einem angeleinten Ehemann und einem frei laufenden Pudel, der ihr den Rasen mäht. Sie hat nun schon mehrfach mit der Polizei gedroht. Meistens trägt sie einen Schlafanzug, wenn sie von unten heraufkommt, ihre Mickeymaus-Pantoffeln sehen mich grimmig an, ihrer Frisur nach zu urteilen, verabreicht sie sich zu Hause psychiatrische Therapien oder Elektroschocks. Ich verspreche jedes Mal, dass sie nie wieder etwas hören wird. Ich schiebe die Schuld auf einen Stapel Literatur, der auf den Boden gefallen ist. Es hat eine Weile gedauert, bis die Bücher zur Ruhe kamen, behaupte ich, ihnen fehlt das literarische Gewicht. Sie versteht meine Witze nicht, vielleicht liegt es daran, dass sie Maschinenbau studiert, sie kann gewichtige Dinge nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Unter all dem steht, in der Tiefgarage, mein Auto, es hat ein Taxameter, einen breiten, ovalen Rückspiegel und auf dem Dach ein Schild. Auf dem Armaturenbrett zwischen Scheibe und Lenkrad klemmt eine Schachtel Kleenex, das ich gelegentlich verwende, um Schmutz und Verschüttetes aufzuwischen, um den langsamen Fluss zu stoppen, der aus laufenden Nasen auf unbedeckte, wischende Handrücken trieft. Außerdem benutze ich die Tücher, um meine Nase vor dem aggressiven Gestank der Armen und Besoffenen zu schützen, vor den Unwaschbaren, die starr wie Wasserleichen in meinem Wagen sitzen und das Elend des Untergrunds mit sich herumtragen.
Wenn endlich Ruhe einkehrt, wenn all die seltsamen Figuren in meinem Haus entspannt an ihre Herde treten, um sich zu stärken, wenn sie sich schließlich vor ihre Fernseher begeben, um vom markanten Gesicht des Nachrichtensprechers ihre tägliche Dosis Vitamin D zu erhalten, steige ich in mein Taxi und fahre hinaus in die Nacht.
Spinnen
Es gibt zwei Arten von Taxifahrern: Spinnen und Fliegen.
Die Spinnen lauern an Taxiständen, bis die Funkzentrale anruft oder ein Fahrgast in ihren hungrigen Wagen schlüpft. Jede Stadt beherbergt diese Sorte menschlicher Insekten, sie haben gerollte Zeitungen in den Händen und stehen auf den Gehsteigen herum, sie vergleichen Autos und tauschen Geschichten über Kunden und das eigene Leben aus. Sie stehen an Kreuzungen, die Zeitalter rauschen vorüber und alles, was ihnen bevorsteht. Sie sind längst namenlos geworden, sie bedienen ihre Automobile und rufen sich bei ihren Wagennummern. 101 hat sich geprügelt, sagen sie, oder: Die Frau von 56 ist schwanger; 97 ist gerade vorbeigefahren …
Ich aber nenne sie die Spinnen.
Fliegen dagegen sind Streuner, rastlos und einsam fahren sie durch die Nacht, bis sie – in einer Gasse, auf einem Bordstein – einen Winkenden oder Pfeifenden entdecken. Sie gleiten durch die Stadt, ohne Ziel und ohne Pause, ihre Leuchtschilder blinken wie ferne Schiffe voll hungriger Flüchtlinge, und wenn der Regen einsetzt, bekommen sie zu tun, und wenn sie einen gereckten Arm
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