Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
und behutsam den Inhalt herausschüttelte. Keine Reaktion.
    »Was soll das denn sein?«, fragte der Chefarzt eine· Minute später, nachdem Marc seine Vorbereitungen abgeschlossen hatte. Er trat zur Wand und streckte die Hände nach der Leinwand aus, die der junge Besucher dort provisorisch befestigt hatte.
    »Ein Erbstück«, antwortete Marc und konzentrierte sich von nun an nur noch auf die Patientin.
    »Schauen Sie mal.«
    Er trat einen Schritt zur Seite, damit ihr leerer Blick auf das Bild gegenüber von ihrem Bett fallen konnte. »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.«
    »Haberlands Haus?«, las der Chefarzt die winzige Unterschrift rechts unten auf dem Gemälde. Er drehte sich um. »Ich kann da nur eine weiße Fläche erkennen.«
    Marc Lucas achtete nicht auf ihn. Er stand jetzt am Kopfende direkt neben der alten Frau, die trotz ihrer schweren seelischen Krankheit das Sanftmütige in ihrem Gesichtsausdruck nicht gänzlich verloren hatte. »Mein Onkel Benny hat mir gesagt, es hätte Ihnen sehr gefallen«, flüsterte er so leise, dass der Chefarzt es nicht hören konnte. »Sie wären die Einzige, die begriffen hat, was es darstellen soll, damals, als sie es in seiner Wohnung entdeckt haben. Später hat Benny sie dann dorthin gebracht zu dem Haus am Wald. Können Sie sich daran noch erinnern?«
    Keine Veränderung. Noch immer keine Reaktion. »Sehen Sie, mein junger Freund!« Der Chefarzt klang beinahe triumphierend. »Sie lässt keinen an sich ran.« Marc Lucas nickte abwesend.
    »Ich lasse es Ihnen da«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Und ich werde wiederkommen. Schon am nächsten Wochenende. Vielleicht haben Sie ja dann Lust, mit mir über meinen Vater zu reden.«
    Über den Mann, der mir das Leben schenkte, in jeder Hinsicht.
    »Ich glaube, Sie haben ihm damals sehr geholfen.« Marc flüsterte weiter, obwohl Emmas Gesichtsausdruck nicht das geringste Anzeichen von Verstehen zeigte. »Auf jeden Fall haben Sie ihn besser gekannt als ich.«
    Er strich ihr die Haare aus der Stirn und trat zur Seite. Emma Ludwigs Geist schien tatsächlich nicht in demselben Raum zu sein wie er. Ihre Gesichtszüge blieben starr und ausdruckslos, während sie reglos auf die weiße, grobkörnige Leinwand blickte.
    Sie reagierte auch nicht, als er ihr zum Abschied die Hand drückte; sah ihm nicht nach, als er vom Chefarzt wieder nach draußen begleitet wurde.
    Noch nicht einmal ihre Augen blinzelten, als sich sehr viel später eine erste, hilflose Träne löste.

Weitere Kostenlose Bücher