Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
mit einer relativ frühen und lebhaften Vokalisations- und Wortschatzentwicklung, die auf eine günstige primäre Disposition hinweist, wachsen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in eine sprachliche Umwelt hinein, die ihnen in Antwort darauf oder bereits primär aufgrund genetischer oder schichtspezifischer Faktoren in der frühen Kommunikation besonders günstige Voraussetzungen und Unterstützung für den Spracherwerb anbietet. Umgekehrt wachsen Kinder mit einer verspäteten oder weniger differenzierten Vokalisationsbereitschaft mit größerer Wahrscheinlichkeit in einer weniger optimalen sprachlichen Umwelt auf und sind somit doppelt benachteiligt.
Noch immer gibt es nur wenige Studien, die die Auswirkungen von Qualitätsmerkmalen der Kommunikation im Säuglingsalter auf die spätere Sprachkompetenz des Kindes in einem prospektiven Design bei gleichzeitiger Kontrolle von Hörfähigkeit und kognitiven Faktoren empirisch überprüft haben. Ein eindrückliches Beispiel bieten die Studien von Bornstein (1985), die in einer systematischen Folge kulturübergreifender prospektiver Untersuchungen gezeigt haben, dass einfühlsames nicht-sprachliches und sprachliches Anregen der kindlichen Aufmerksamkeit für Ereignisse und Gegenstände in der Umwelt im Alter von fünf Monaten über den Einfluss der visuellen Informationsverarbeitungsfähigkeit (Habituation) des Säuglings hinaus Voraussagen auf Sprachverständnis und Wortschatz im Alter von dreizehn Monaten und sprachliche Kompetenz im Alter von vier Jahren erlauben (Bornstein 1985). Die positiven Zusammenhänge gelten jedoch nur, wenn die Mutter einfühlsam der spontanen Ausrichtung des kindlichen Interesses folgt, während direktives Umlenken der kindlichen Aufmerksamkeit mit dem Wortschatzerwerb in negativem Zusammenhangsteht. Ebenso besteht ein Zusammenhang zwischen dem Gelingen eines gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus im zweiten Halbjahr und dem Wortschatzerwerb im zweiten Lebensjahr (Akhtar et al. 1991; Tomasello & Farrar 1986). Mütterliche Responsivität im Alter von 9 und 13 Monaten begünstigt den Zeitpunkt des Auftretens von ersten Wörtern, Wortschatzspurt und Zweiwortäußerungen im zweiten Lebensjahr (Tamis-LeMonda et al. 2001).
Inzwischen liegen auch erste Studien vor, die die Auswirkungen der perzeptiven Sprachverarbeitung im Säuglingsalter auf die spätere Sprachkompetenz des Kindes prospektiv unter gleichzeitiger Kontrolle kognitiver und allgemein auditiver Faktoren empirisch überprüfen (Kuhl et al. 2008). So zeigen sich signifikante Zusammenhänge zwischen den im 2. Halbjahr mit evozierten Potentialen gemessenen phonetischen Wahrnehmungsfähigkeiten und der Sprachentwicklung im 2. bis 5. Lebensjahr. Je besser die Aneignung des phonetischen Inventars der Muttersprache und je schlechter die Differenzierung fremdsprachlicher Phoneme im Alter von 7 bis 8 Monaten gelingen, umso rascher schreitet die Entwicklung von Wortverständnis, Wortschatz, Äußerungslänge und syntaktischer Komplexität fort.
Zusammenfassung und Ausblick
Die intuitiven elterlichen Kommunikationsfähigkeiten als individuell abgestimmte Frühförderung auf dem Weg zur Sprache
Im Zusammenspiel kindlicher und elterlicher Prädispositionen bildet die Kommunikation im ersten Lebensjahr einen anregenden, responsiv unterstützenden dyadischen Rahmen, in dem der Säugling die unverzichtbaren Vorläuferfunktionen der Sprache erproben und einüben kann, die er für den Spracherwerb benötigt: das Erkennen und Speichern von Lautinventar und Regelwerk der Muttersprache und die Aneignung des muttersprachlichen Lautinventars durch Nachahmung und Spiel mit der Stimme, den gemeinsamen Aufbau von Intersubjektivität, sozialer Kognition und gemeinsamem bedeutungstragendem Erfahrungshintergrund, die intentionale Kommunikation mit manuellen und stimmlichen Gesten, das Verstehen der elterlichen Sprache im Kontext gemeinsam fokussierter Aufmerksamkeit und die kontextbezogene Verständigung mit Lautgesten und ersten Wörtern. Das synergetische Zusammenwirken dieserEntwicklungsstränge ermöglicht es dem Säugling gegen Ende des ersten Lebensjahres, Wörter im Sprachfluss zu erkennen, zuzuordnen und zu verstehen und erste Wörter im Kontext des gemeinsamen Erfahrungshintergrundes zu nutzen. Dank der intuitiven kindgeleiteten Steuerung der intuitiven elterlichen Kommunikationsfähigkeiten wird dieser Rahmen immer neu auf den jeweiligen Entwicklungsstand abgestimmt (Liu et al. 2009).
Frühe Gefährdungen der
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