Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Titel: Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Schneeweiß , Theodor Hellbruegge
Vom Netzwerk:
dazu, seine stimmlichen Äußerungen prompt, einfühlsam und kontingent zu beantworten. Im stimmlichen Wechselspiel mit dem Baby regen sie mit einfachen lautsprachlichen Modellen zur Lautbildung an und bieten ihrerseits ein unmittelbares Echo der kindlichen Laute (M. Papoušek & H. Papoušek 1989). Die stimmliche Responsivität der Eltern erfüllt eine Reihe wichtiger Funktionen. Zum einen bestärkt sie das Kind in seiner Lautbildung und seinem Nachahmungsbemühen, indem sie seinem Selbstwirksamkeitsbedürfnis Nahrung gibt (Goldstein et al. 2009). Im gleichen Zuge bieten ihm die Eltern durch ihr stimmliches Feedback eine affektive Resonanz und Spiegelung, was auch in der elterlichen Neigung zum Ausdruck kommt, den kindlichen Lauten affektive und intentionale Bedeutung zuzuschreiben (Užgiris 1984). Oft wirken die intuitiven elterlichen Modelle und Nachahmungen auch im Sinne eines unmittelbaren korrektiven Feedbacks, durch das die vokal- und silbenartigen Laute des Kindes allmählich an die Lautstruktur der Muttersprache herangeführt werden (Goldstein & Schwade 2008).In den Nachahmungsspielen des gemeinsamen Dialogs erschaffen sich Eltern und Säugling so ein stimmliches Signalsystem, in dem sich das Kind nach und nach mit dem Lautinventar der Muttersprache vertraut macht und sein produktives Lautrepertoire expansiv in Richtung auf universell sprachliche und muttersprachliche Phoneme erweitert.
    Spiel mit der Stimme, stimmliches Nachahmen und Lippenlesen in Dialogen und Monologen erlauben dem Säugling, das hörbare Resultat der eigenen Laute mit den benötigten orolaryngealen Bewegungsmustern in Beziehung zu setzen (Kuhl et al. 2008). Die für die Kontrolle dieser Bewegungsmuster zuständigen motorischen Neurone müssen die Fähigkeit erwerben, sich beim bloßen Hören von Lauten, die durch die meist unsichtbaren analogen Bewegungsmuster eines Gegenübers erzeugt werden, zu aktivieren. Neurobiologen vermuten, dass dieser Prozess durch eine beim Menschen einzigartige sprachspezifische Anpassung und Erweiterung des Spiegelneuronensystems mit Bildung sog. »Echo-Spiegelneurone« im unteren Drittel der prämotorischen Rinde erreicht wird (Rizzolatti & Bucino 2005). Wie neuere magnetenzephalographische Studien mit bildgebenden Verfahren bei Neugeborenen, 6- und 12-monatigen Säuglingen gezeigt haben, führt das bloße Hören von sprachlichen Silben von Geburt an zur Aktivierung der temporalen perzeptiven Areale, aktiviert aber bereits ab dem 6. Monat und noch deutlicher im 12. Monat auch das für die Artikulation zuständige linkshemisphärische Broca-Areal (Imada et al. 2006).
Entwicklung der kindlichen Kommunikation mit Lauten und Gesten
    Über die auditive und stimmlich-artikulatorische Aneignung des Lautinventars hinaus übt der Säugling auch, mit seinen stimmlichen Äußerungen etwas mitzuteilen. Ausgehend vom anfänglich unwillkürlichen Lautieren gewinnt er im Verlauf des ersten Lebensjahres wachsende Fähigkeiten, seine Laute gezielt und gerichtet, bald auch instrumentell und intentional und schließlich Bezug nehmend und sprachlich benennend einzusetzen. In den ersten Lebensmonaten sind die stimmlichen Äußerungen wie das Schreien oder die frühen vokalartigen Laute noch ungerichtete und unwillkürliche Ausdrucksformen des jeweiligen Befindlichkeitszustandes, werden aber von den Eltern bereits kontingent und differenziert beantwortet und nicht selten bereits als Ausdruck bedeutsameraffektiver und absichtsvoller Mitteilungen gewertet und beantwortet (Stern 2007).
    Das Zusammentreffen von anatomischer Reifung des Stimmtraktes, Reifung des Sehvermögens, sozialem Lächeln, verbesserter Selbstregulation und Intensivierung der Lernfähigkeiten um den dritten Lebensmonat bringt die frühen Zwiegespräche auf eine Ebene wechselseitiger
affektiver Kommunikation
und Austauschprozesse (Stern 2007). Im elterlichen Echo wird der Säugling der Wirkmächtigkeit seiner Laute und allmählich auch seiner affektiven Befindlichkeit gewahr. Die elterliche Responsivität im Zwiegespräch stimuliert den Säugling, seine Laute aktiv, gerichtet und gezielt einzusetzen, um die bereits vertrauten Antworten erneut auszulösen (Goldstein et al. 2009; M. Papoušek 2007b). In der Folge lernt er bemerkenswert rasch, auch seine Unmutslaute und sein Schreien gezielt und gerichtet als Mittel zum Zweck einzusetzen und zu instrumentalisieren, beispielsweise, um auf den Arm genommen zu werden (M. Papoušek 1994).
    Um die Mitte des zweiten

Weitere Kostenlose Bücher