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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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Prolog
    In der reglosen Luft der Sakristei
war nichts anderes zu hören als das langsame Tropfen von Blut auf den Marmorboden und das schwache Wispern ihres Atems. Ein, aus, ein, aus - dann eine längere Unterbrechung, ehe der röchelnde Rhythmus wieder einsetzte. Ihr Leben hing nur noch an einem seidenen Faden.
    Die Sache war nicht gut gelaufen. Sie hatte stark geblutet, womit zu rechnen war, trotzdem bereitete es ihm immer noch Unbehagen. Aber was hätte er denn tun sollen? Wenn keine Zeit blieb, um einen Menschen mental auseinanderzunehmen und zu brechen, musste man auf Angst und Schmerz zurückgreifen. Selbst wenn es nicht unbedingt das professionellste und wirkungsvollste Vorgehen war. Er hatte darauf gehofft, sie durch blanken Schrecken unterwerfen zu können, aber ihre Zähigkeit hatte den Zeitrahmen gesprengt. Ein Jammer. Manchmal reichte es aus, wenn er einen Handschuh anzog und die Faust ballte, damit sich das steife Leder knarrend über die Knöchel spannte - schon redeten sie wie ein Wasserfall. Dann hatte selbst die flinkste Schreibkraft Probleme, alles festzuhalten. Natürlich war es ihm so am liebsten. Diese unkomplizierten Verhöre waren einfach viel angenehmer. Doch auf jede gesprächige Gans kam ein Fels, und das Mädchen gehörte definitiv in die Kategorie Granit.
    Was er auch versucht hatte, er war gescheitert. Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, wäre es ihm vielleicht gelungen, doch ihm standen nur zwei Stunden zur Verfügung. Zwei Stunden für einen Willen wie diesen? Stark und fest verschlossen wie ein Panzerschrank. Das reichte nie und nimmer. Für seine Auftraggeber sicher kein erfreuliches Ergebnis, aber er hatte sie ja gewarnt. Wenn er die Frau vorher hätte weichklopfen können - mehrere Tage kein Schlaf, die Zelle abwechselnd brütend heiß und eiskalt, völlige Dunkelheit, absolute Stille. Dann hätte er vielleicht etwas erreicht. Mit ein wenig Zeit und den richtigen Geräten hätte er Dinge von ihr erfahren, deren Kenntnis ihr nicht einmal selbst bewusst gewesen war. So aber hatte er praktisch mit nichts arbeiten müssen: mit seiner Lederschürze, den Handschuhen und lächerlichen zwei Stunden in irgendeiner Kirche.
    Auch das gefiel ihm nicht. Natürlich war es genehmigt worden, angeblich sogar von höchster Stelle. Trotzdem. Wenn er überrascht wurde, konnte er sich schlecht herausreden, vor allem jetzt, da ihr Blut bereits eine Lache unter dem Altar bildete. Jeder, der zufällig von der Straße hereinkam, musste ihn für einen Wahnsinnigen halten.
    Ihr Atem wurde langsamer, und er studierte sein Werk. Ihre Augen, zwei riesige schwarze Iriden, umgeben von einem schmalen Ring aus goldgesprenkelter Mandelfarbe, hatten sich mit dem Geschehen abgefunden, und das Licht in ihnen verblasste bereits. Er suchte nach Anzeichen von Furcht, fand aber nichts. So war es oft: Ab einem bestimmten Punkt ließen sie die Angst und sogar den Schmerz hinter sich, und dann wurde es unglaublich schwer, sie wieder zurückzuholen. Er neigte sich tiefer und überlegte, ob er eines Tages durch Augen wie die ihren einen Blick ins Jenseits erhaschen würde. Forschend musterte er sie, aber sie reagierte nicht. Sie fixierte die Decke über ihnen, das war alles. Dort oben prangte ein Gemälde der Heiligen im Himmel, und vielleicht war es das, was sie sah. Er schob den Kopf nach vorn, um ihr den Blick zu verstellen, aber ihre Augen schauten einfach durch ihn hindurch.
    Wenigstens war der Gestank nicht so bedrückend, wenn er sich so nah zu ihr beugte. Noch immer umwehte sie der süßliche Blutgeruch, aber auch das Aroma von Seife und feuchtem Haar drang in seine Nase. Die Mischung erinnerte ihn an Kinder, an den warmen, beglückenden Duft, der nach der Geburt seines Sohnes sein Herz erfüllt hatte. Wo sie die Seife wohl herhatte? In den gewöhnlichen Geschäften gab es dergleichen in diesem Jahr kaum. In einem Devisenladen fand man solche Dinge vielleicht, allerdings waren sie auch dort nicht immer erhältlich. Nach kurzem Rätseln fiel es ihm ein: Wahrscheinlich hatte sie die Seife mitgebracht. Aus Amerika. Ja, das war die Erklärung - kapitalistische Seife.
    Dennoch stellte er überrascht fest, dass er fast so etwas wie Sympathie für das Mädchen empfand. Tränen hatten einen Teil des Blutes von ihren Wangen gewaschen. Ihre zarten Nüstern dehnten sich sanft beim Atmen, und sie sah wirklich schön aus. Unwillkürlich hielt er die Luft an, damit sich ihre unergründlichen Augen nicht beschlugen. Er schluckte und schob

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