Sprechende Maenner
Dreibettzimmer, so wie wir früher in Jugendherbergen gewohnt hatten. Einige der Freunde habe ich zwölf, fünfzehn Jahre nicht gesehen. Einer ist heute Urologe, einer Mathematikprofessor, einer Jurist, einer lebt in London als Businessmann, einer ist DJ, und ich bin Journalist. Wir haben zusammen Abitur gemacht oder kennen uns aus der alten Clique. Wir sehen jetzt nicht viel anders aus. Nur breiter. Männer werden ja breiter. Frauen vor allem älter.
Wir gingen durch die Stadt, Palma ist nicht groà und eigentlich auch ganz schön. Wir sind alle 38, 39 oder 40, fast alle haben Kinder, der eine drei, nur der DJ hat keines. Und ich. Der DJ hat immerhin zwei Katzen. Ich habe nicht mal Katzen. Alle sind verheiratet. Nur der DJ nicht. Und ich.
Wir haben uns die Tage »freigeschaufelt«, ein unglaublich hässlicher Ausdruck. Den Job weggeschaufelt, die Kinder, den Arbeitsfreitag, schaufel, schaufel. Wir brauchten ewig, um einen Termin zu finden, jetzt gingen wir nebeneinander durch die Stadt, und etwas sollte beginnen. Männerausflüge folgen ja oft dieser Blues-Brothers-Romantik: Wir bringen die Band wieder zusammen!
Wir saÃen in einem Restaurant, tranken Aperitifs und Wein, wir sprachen über unsere Jobs und die Ehefrauen und die Kinder, und es war gar nicht schlecht, manchmal witzig, auch rührend, es gab Momente, da lebte die Band wieder, nur lag über allem so eine Müdigkeit. Obwohl, das ist das falsche Wort. Besser ist: Disziplin. Noch besser ist: MäÃigung. Wir waren gemäÃigte Männer Ende 30, Anfang 40. Wir tranken wenig Alkohol, wir gingen früh ins Bett, wir standen zeitig auf, um den Tag zu nutzen, die kostbare Zeit. Der Jurist sagte, darauf habe er sich am meisten gefreut: Im Bett liegen bis acht oder halb neun und nicht aufstehen müssen. Ein bisschen Musik hören. Nur so ganz allein. Sonst müsse er um sechs Uhr raus wegen der Kinder, wegen des Jobs. Und ich habe gedacht: Wow, sechs Uhr. Er lebt wie ein Bauer, nur in der Stadt.
Wir sprachen überhaupt viel über die Mühen des Alltags. Ãber die mangelnde Zeit, die Kinderbetreuung, den fordernden Beruf, die Termine, das mangelnde Durchschlafen wegen der Kinder und dass man »zu nichts mehr kommt«, was meine Mutter auch oft gesagt hat, und ich erinnere mich, dass ich mich als Kind manchmal gefragt habe, was denn dieses »Nichts«, zu dem man nicht mehr kommt, eigentlich sein soll. Schwer zu sagen.
Wir haben jetzt vollgepackte, getaktete Leben. Bis auf den DJ vielleicht. Wir haben Autos und Verantwortung und Wohnungen und Urlaubszeiten und sind auf dem Weg zu einem anderen Auto, noch mehr Verantwortung, einem Haus und kürzeren Urlaubszeiten. Alles läuft auf diese Lebensmitte zu. Die 40er-Jahre. Man arbeitet wahnsinnig lange und intensiv daran, dort hinzukommen. Abitur, Studium, Prüfungen, Hochzeiten, Geburten â nur um irgendwann festzustellen, dass »man zu nichts mehr kommt«.
Wir tranken wirklich wenig Alkohol in diesen drei Tagen. Wir gingen nicht aus. Tanzen oder so was. Wir probierten es nicht mal, was man ja sonst oft macht, um das Jugendlichkeitsgewissen zu beruhigen, selbst wenn man nur auf die Tanzfläche glotzt mit einem warmen Bier in der Hand und betet, dass es endlich halb zwei ist, eine Zeit, die es einem erlaubt, mit einiger Selbstachtung ins Bett zu gehen. Das ist das Fiese an den Vierzigern. Man hat das alles schon tausendmal gesehen. Die Clubs, den Alkohol, die Mädchen, die Musik. Alles gesehen.
Der Urologe sagte, dass es, medizinisch gesehen, so etwas gibt wie die Wechseljahre des Mannes. Beginnen meist so in unserem Alter, Maxim. Ende 30, Anfang 40. Die Symptome sind Müdigkeit, nachlassende Libido, nachlassender Bartwuchs, auffällige Lustlosigkeit.
»Was macht man dagegen?«, fragte ich den Urologen.
»Testosteron«, sagte er.
»Wo kriegt man das Zeug«?, fragte ich.
»Bei mir«, sagte er.
»Ist das so was wie ein Nikotinpflaster?«, fragte ich.
»Nee, Pflaster sind out«, sagte der Urologe.
Man nimmt besser Testosterongel. Damit schmiert man sich ein. Auf den Hoden oder sonst wohin. Die Bodylotion für den schlappen Mann. Oder man nimmt die Testosteron-Depotspritze. Das sei überhaupt das Beste.
Wir fuhren in einem kleinen Bus über die Insel. Wir saÃen dort drinnen und schauten in die Sonne, in die Landschaft. Wir wanderten zu einer schönen Bucht, manchmal sagte einer, dass wir jetzt
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