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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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einfach hier bleiben müssten, für ein paar Tage wenigstens, einfach hier bleiben, Haus mieten, Fisch grillen, Musik aufdrehen, und dann nickten alle, und wir sprachen über was anderes.
    Der Jurist kaufte ein Sixpack Bier, das wir tranken, weil wir das früher auch immer gemacht haben. Auf ein Sixpack werden wir uns vermut lich immer einigen können. Auch noch in zwanzig oder dreißig Jahren.
    Wir könnten so eine Reise jetzt jedes Jahr machen, sagte der Urologe später, am Abend, als wir spanisches Spanferkel aßen. So als Tradition.
    Alle nickten, alle sagten: Gute Idee.
    Am nächsten Tag stiegen wir in ein Flugzeug nach Berlin, und am übernächsten Tag schickten wir uns per Mail die Fotos von unserem Ausflug.
    Wir bleiben in Kontakt, schrieb der DJ .
    Wir bleiben in Kontakt, schrieb ich.
    aw:
    Ist eine melancholische Geschichte, Jochen.
    re:
    Ja. Und je länger ich darüber nachdenke, umso melancholischer werde ich.
    aw:
    Vielleicht sollte man solche Fahrten gar nicht machen. Man will Jugendfreunde treffen und begegnet dem Alter.
    re:
    Kennst du dieses Gefühl?
    aw:
    Ich gehe zum Beispiel ungern auf Klassentreffen. Man ist auf einmal von Leuten umringt, die seltsam erwachsen sind, obwohl sie eben noch das ganze Leben vor sich hatten. Und man selbst ist auch so jemand geworden. So ein Teenie mit Glatze. Was ich merke, ist, dass bei mir die Differenz zwischen innerem und äußerem Alter immer größer wird. Das innere Alter ist so, wie ich mich selbst fühle. Im Grunde ein Tal der ewigen Jugend. Das äußere Alter ist der Blick der anderen auf mich. Oder der Nicht-Blick. Zwanzigjährige Frauen se hen schon seit einiger Zeit durch mich hindurch. Für die existiere ich gar nicht mehr. Ich laufe manchmal durch die Straße und spiele Blicke fangen. Wenn es mir gelingt, mehr als zwei junge, weibliche Augenpaare zumindest kurz auf mich zu ziehen, dann habe ich gewonnen. Ich verliere jetzt immer öfter.
    re:
    Lieber Maxim, ich glaube, man muss zwei Dinge trennen. Das Alter und das Feuer. Was du beschreibst, worüber du ein bisschen jammerst, ist das körperliche Alter und die Eitelkeit als Kollateralschaden. Zwanzigjährige Frauen stehen nicht mehr auf dich. Natürlich tun sie das nicht, falls sie nicht völlig verzweifelt sind, einen Vater komplex haben oder Geldsorgen. Vergiss die 20-jährigen Frauen. Man runzelt, schrumpft, verfällt – leider.
    aw:
    Und was meinst du mit Feuer?
    re:
    Feuer ist vielleicht zu viel verlangt. Aber so einen kleinen Bunsenbrenner, der das Herz heiß hält. Ich glaube an die Unruhe, Maxim. Sie ist oft unangenehm, man kann an ihr verzweifeln, weil die Erlösung fehlt, aber sie schützt vor dem Einschlafen. Vor der Abgeklärtheit. Unruhe soll der Grundton meines Leben bleiben, ich hoffe, dass sie nie verstummt. Davor hätte ich Angst.
    aw:
    Mir fällt auf: Die Altersgrenzen verschwimmen. Früher waren die Alten alt und die Jungen jung. Typen wie ich hatten einen Bauch, hießen Papa und standen am Grill. Typen wie du hießen Junggesellen, trugen fleckige Hemden und wurden manchmal aus Mitleid zum Grillen eingeladen. Heute kann sich jeder fühlen, wie er will. Ich sehe bei mir im Park sechzigjährige Männer mit sorgsam zerrissenen Jeans und tätowierten Armen, die platingrauen Haare nach hinten gelegt. Sie gehen mit ihren Kindern spazieren, die ihre Enkel sein könnten. Sie haben mal eben eine Generation übersprungen. Haben eine zweite Chance bekommen. Ich treffe Frauen, die Mitte dreißig sind und sagen, sie fühlten sich noch zu jung zum Kinderkriegen. Das ganze Leben verschiebt sich nach hinten. Die gefühlte Jugend wird immer länger, im Grunde reicht sie bis zum Tod.
    re:
    Ja, die alten Väter im Park, die Generationsüberspringer, die sind neu. Aber es ist doch so: Ich werde vielleicht mal einer von ihnen. Das heißt, wir beide, du und ich, werden uns nicht nur jetzt fremd sein, sondern auch in Zukunft. Die Homogenität einer Generation verschwindet. Die einen verschieben ihr Leben nach hinten (ich), die anderen leben es klassisch vorne (du).
    re:
    Lieber Maxim, noch eine Frage: Was für einen Bauch hast du eigentlich? Beschreib mal? Die klassische Kugel? Die Fettfalte? Die Unterbauchschwarte? Die Hüftverfettung? Oder den Kegel? Ist es festes Fett, also ist der Muskel beim Fingereintunken noch spürbar? Oder ist es schon Fett-Fett, also der

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