Sprechende Maenner
ein bisschen als Profisingle. Aber ich würde gerne noch mehr von deinem ganz normalen Leben wissen. Wie lebst du so? Hast du ein Privatleben?
aw:
Lieber Maxim, »er führt sein eigenes Leben« â das ist der Zustand, den man in Westeuropa von jemandem erwartet, von jemandem wie mir, 39 Jahre alt, männlich, studiert, gut verdienend. Ich habe ein berufliches Leben. Und auch ein Privatleben. Ob, wenn man nun beide addiert, ein »eigenes Leben« herauskommt â zweifelhaft, sehr zweifelhaft. »Eigenes Leben« ist ja nicht nur ein Leben, das mir gehört, sondern ein ganz bestimmter Lebenszustand. Man muss nämlich, das ist die gängige Vorstellung von einem »eigenen Leben«, es auch führen. Also irgendwie anfüllen, bereichern, mit Sinn versehen, Ziele hineinstecken und mit »beiden Beinen« im Leben drinstehen.
All das tue ich nicht. Ich habe in meinem Privatleben kein »eigenes Leben« in diesem Sinne. Ich brauche keines. Es gibt so viele Dinge, die ich tun kann, die mich unterhalten, dass ich auf ein ausgebautes und gepflegtes »eigenes Leben« nicht angewiesen bin. Ich kann Beobachter der Leben anderer Menschen sein. Von Freunden und Bekannten. Von Leben, die in Filmen, Büchern, Zeitungen oder im Internet gelebt werden.
Ich lehne es gar nicht ab, ein »eigenes Leben« zu führen. Es ist nur einfach unnötig. Manchmal denke ich auch: Es schafft mir nur Probleme, die ich nicht gebrauchen kann. Mein eigenes Leben ist weitgehend ein Entspannungszustand von meinem Berufsleben. Urlaub vom Job.
Das ist wenig, ja? Ich habe nichts anderes behauptet.
Urlaub ist ja meist wenig. Man liegt viel rum. Man hängt ab.
Trotzdem freuen sich alle auf den Urlaub. Die beste Zeit des Jahres, oder?
re:
Ich mache in meiner Freizeit eigentlich auch nichts anderes, als mich von der Arbeit zu erholen. Dazu habe ich aber noch eine Frau und Kinder. Das macht dann, in der gesellschaftlichen Logik, den Unterschied. Mein Leben wird als »eigenes« anerkannt, weil es nützlich ist. Was ich bei dir nicht verstehe, ist, dass du anscheinend kein Bedürfnis hast, dir etwas aufzubauen.
aw:
Was soll ich mir denn aufbauen?
re:
Einen Lebensrahmen. Ich habe eine Wohnung in der Stadt, ein Haus auf dem Land, ein Gemüsebeet, ein paar Apfelbäume. Etwas, das mir gehört. Mein Lebensraum, in dem ich immer sein kann.
aw:
Das ist kein »eigenes Leben«, Maxim. Das sind Immobilien. Die kann man vorzeigen, wenn man Klassentreffen hat. Wenn jemand kontrollieren kommt, ob man es »geschafft« hat.
re:
Es geht mir um das innere Bedürfnis. Nicht um Erfolgsbeweise. Das kommt vielleicht noch dazu.
aw:
Lieber Maxim, ich finde es nicht schlecht, so zu leben, wie du es tust. Ich finde es nicht schlecht, ein Haus zu haben. Aber es wäre dann eben nur ein Haus und nicht ein Teil meines Lebens. Ich spüre wenig Bedürfnis in mir, Dinge anzuschaffen, bleibende Dinge. Sie geben mir keine Sicherheit. Sie hängen mir eher am Hals. Ich frage mich: Wie werde ich sie wieder los? Du, Maxim, sagst mir oft: Kauf dir endlich eine Wohnung. Damit hast du, wirtschaftlich gesehen, auch absolut recht. Aber gefühlsmäÃig bedeutet es mir nichts, verstehst du? Meine Wohnung â das ist abstrakt für mich. Kein Sehnsuchtsort.
re:
Lieber Jochen, ich weià noch, wie ich nach dem Kauf das erste Mal durch meine Wohnung gelaufen bin. Und ich dachte: Hier schmeiÃt uns nie wieder jemand raus. Hier kann ich alt werden. Mit meiner Frau.
aw:
Genau das würde mir Angst machen. Eine Wohnung ist ja ein Lebensraum, das heiÃt, ich müsste jetzt schon wissen, wie mein Leben in den nächsten zwanzig, dreiÃig, vierzig Jahren aussehen soll. Drei Zimmer, fünf Zimmer? Meine Wohnung oder unsere Wohnung? Für eine Wohnung entscheiden hieÃe sich für ein Leben entscheiden.
re:
Meine Eltern kauften sich vor Jahren ein Landhaus in Mecklenburg. Ein Haus zum Altwerden. Dann trennten sie sich. Es steht jetzt da wie ein Mahnmal der vergangenen Liebe. Mein Vater arbeitet ständig in diesem Haus, baut das Dachgeschoss aus für eine zweite Wohnung. Damit sie wenigstens getrennt in dem Haus wohnen können. Jeder für sich.
Das Beste wäre, das Haus zu verkaufen. Aber sie scheuen vor diesem Schritt zurück. Sie versuchen, die alten Mauern für ihr neues Leben zu nutzen, aber das funktioniert nicht. Das Haus lässt sich nicht umwidmen. Es hat seinen Zweck
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