Sprechende Maenner

Frauen?
    re:
    Ja, die Frauen sind oft liiert. Ich bin der »Typ«. Der »Arsch«, den du, Maxim, gerne verprügeln oder töten würdest. Der, über den du lieber nicht nachdenkst, der deine Welt in Unordnung bringen könnte.
    Aber ich habe keine Skrupel mehr. Ich denke: Es ist schon wahnsinnig schwer, eine Frau zu finden, in die ich mich vielleicht verliebe. Wenn ich davon noch all die Frauen abziehe, die in einer Beziehung sind, dann wird es fast unmöglich. Das kann ich mir nicht leisten, statistisch. Am Anfang hatte ich Skrupel. Auch aus meiner eigenen Erfahrung heraus, als Betrogener. Heute hat sich das verwaschen. Trotzdem fange ich ungern etwas an mit liierten Frauen.
    Es ist unglaublich anstrengend, es gibt dieses Hin und Her, liierte Frauen haben Zweifel, ein schlechtes Gewissen, von Tränen verwasche nes Make-up, der Betrug kostet sie viel Kraft, und dann erzählen sie mir die Schreckensgeschichten von ihren eingeschlafenen Beziehungen, von ihrem Mann, der sich nur um den Job kümmert, keine Kinder will, keine Bücher liest und nichts zu erzählen hat.
    Wenn Frauen fremdgehen, bedeutet es meist, dass die Beziehung im Arsch ist. Bei Männern bedeutet es, dass sie mit einer anderen Frau schlafen.
    aw:
    Du siehst nur die toten Enden der Beziehungen. Immer nur das Scheitern. Das ist nicht gut für dich, Jochen! Außerdem machst du mir Angst. Du bist der Sensenmann für glückliche Beziehungen.
    re:
    Nein, ich bin der Müllmann für unglückliche Beziehungen.
    Das ist aber nicht mein einziger Job.
    aw:
    Was denn noch?
    re:
    Ich bin auch der Alibimann. Und der Tröstermann. Und der Wiedereingliederungsbeauftragte. Alles übrigens ehrenamtlich.
    Alibimann wollte ich nie sein. Aber ich bin einfach eine gute Wahl. Ich bin glaubhaft, weil ich viel unterwegs bin am Abend. Ich bin schwer überprüfbar, weil ich alleine wohne. Ein Fremdgeher kann zu seiner Frau sogar sagen: »Jochen braucht seine Freunde. Er ist allein …« Mich als Alibi zu haben bedeutet, dass man mit einer Frau vögeln und gleichzeitig gesellschaftliches Engagement zeigen kann. Ich wurde auch schon als Alibi genutzt, ohne dass ich davon wusste. Ich kann mich an den Anruf einer Freundin erinnern, ist ein paar Jahre her.
    Â»Wie war’s in Prag?«, fragte sie.
    Â»Prag?«, sagte ich.
    Â»Na du und Olaf«
    Â»Ah, du meinst Prag …«, sagte ich.
    Und habe dann irgendwas erzählt. Irgendetwas Vages, Ungenaues. Und dann schnell gesagt: »Du, ich bin gerade auf dem Sprung.«
    Das ist unangenehm. Aber noch unangenehmer ist es, wenn beide Seiten um Rat fragen. Ist mir auch schon passiert. Die Fremdgeherin trifft sich mit mir zum Frühstück, wo sie mir vom Fremdgehen berichtet und mich fragt, was das nun bedeutet und wie sie weiter vorgehen soll. Der Betrogene trifft sich mit mir am Abend, trinkt zu viel Rotwein, weint, schweigt, spricht wahnsinnig viel und will von mir wissen, was jetzt passieren soll. Was er machen soll.
    Es macht natürlich überhaupt keinen Sinn, mich zu fragen. Sie gehen zum Beziehungs-Loser, um über ihre Beziehung zu reden. Aber ich habe Zeit, ich bin verfügbar, man kann mich treffen, ziemlich problemlos. Man kann in meiner Wohnung sitzen, ohne dass eine Ehefrau dabei ist oder alle fünf Minuten die Kinder durch das Zimmer toben. Sie nutzen für ein paar Stunden die logistischen Vorteile meines Lebens. Außerdem bin ich parteilos, neutral und bei Bedarf auch verschwiegen.
    aw:
    Und wozu rätst du normalerweise? Zur Trennung oder zur Versöhnung?
    re:
    Ich rate zu gar nichts. Ich höre nur zu, nicke, gieße Wein nach und beziehe die Couch, falls sie übernachten wollen.
    aw:
    Und dann schläfst du mit den Trennungsopfern.
    re:
    Das verbietet die Therapeutenehre. Es sei denn, Sex hilft bei der Heilung.
    Wenn ich aber ausnahmsweise doch zu etwas rate, dann immer zur Versöhnung. Nicht aus moralischen Gründen oder wegen der Liebe. Ich möchte die Getrennten ungern am Hals haben. Damit kommen wir zu meiner dritten Funktion: Wiedereingliederungsbeauftragter.
    Ich bin der Mann, der nach dem Scheitern einer Beziehung erklären muss, wie man jetzt so lebt, allein. Der Typ, den man ständig anrufen kann, wenn einem die Decke auf den Kopf fällt, weil man das Alleinsein nicht mehr gewohnt ist. Der Typ für die Kneipen, Bars, Clubs, Kino, Fußballspiele, einsamen Wochenenden – für das Entertainment.
    Ich