Sprechende Maenner
Winter. Das ist ganz wichtig.
Herbst / Winter sind nicht fordernd. Es ist kalt, dunkel, nass. Niemand erwartet viel von sich und der Welt dort drauÃen. Man kann problemlos zwei, drei Tage zu Hause verbringen, ohne sich seltsam zu fühlen. Man kann in die Badewanne steigen, Musik hören, lesen, was kochen, vielleicht ins Kino gehen. Im Herbst / Winter hat man das Recht dazu.
Im Sommer ist das anders. Im Sommer heiÃt es: Was für ein Tag! Was für ein Abend! Was für eine Nacht!
Die fordernde Saison beginnt Anfang April, kurz nach der Zeit umstellung. Da wird es erst um 20 Uhr dunkel. Das heiÃt, die Sport schau am Samstag schaue ich bereits im Hellen. Das ist so ein Zeichen. Es geht wieder los. Die Zeit, die man nutzen muss. Frühling nutzen, den Sommer nutzen. Aber wozu soll ich das nutzen? Eigentlich ist es auch im Frühling oder Sommer nicht viel anders. Lass uns »was essen« gehen oder »was trinken« gehen. Und dann den »Absacker«.
An einem schönen Sommertag um 21 Uhr in der Wohnung zu sitzen und sich okay zu fühlen â nicht so einfach. Muss man trainieren. Wochenenden im Sommer sind die Königsdisziplin. Nie ist so viel Zeit. Nie könnte man so viele Dinge tun. Aber viele Freunde sind im Garten oder im Urlaub. Das ist die konturloseste, ereignisärmste Zeit, die es gibt.
Jeder Lebensentwurf beruht auch auf einer kleinen ideologischen Rechtfertigung. Welche Rechtfertigung hat das Alleinleben, wenn man ausgerechnet den Samstagabend allein zu Hause sitzt? Den Abend der Abende.
re:
Du verlierst dein gröÃtes Argument, dein Freiheitsargument, wenn du den Abend wie ein verheirateter Mittvierziger mit zwei Kindern verbringst.
aw:
Maxim, ich habe es noch nie geschafft, an einem Junisamstag zu Hau se zu bleiben und zu lesen. Nie in zehn Jahren. Grillabende gibt es oft im Sommer. Ich und drei, vier andere Jungs. Wir grillen auf irgendeinem Balkon. Freiluftkino ist auch gut. Dort kann man alleine hingehen und hat das Gefühl, man hat trotzdem was gemacht. Baden fahre ich selten. Ich finde, Baden ist eine Familiensache. Baden fährt man mit Kindern. Männer wie ich gehen in eine Strandbar. Oder auf ein Badeschiff. Manchmal sage ich: Ich muss zur Ostsee. Aber oft fahre ich dann nicht. Und wenn ich fahre, weià ich nicht, was ich da soll. Ich war letztes Jahr an der Ostsee, allein. Ich fuhr morgens hin, abends zurück. Ich habe dort irgendwas gesucht, aber nichts gefunden.
Tag 20
An dem erklärt wird, wie das Internet die Jagd auf Frauen verändert. Und warum eigentlich trotzdem alles gleich bleibt
Lieber Jochen, wir sprachen über die 1,70-Frau, die du im Internet kennenlerntest. Erinnerst du dich? Ich weiÃ, du möchtest nicht darüber reden. Privatsache, sagst du. Das respektiere ich selbstverständlich. Was mich auch nur interessiert, ganz abstrakt, unprivat, theoretisch: Wie lernt man im Internet Frauen kennen? Könntest du mir nicht wenigstens davon erzählen?
aw:
Du willst von mir wissen, wie man Frauen im Internet kennenlernt? Das heiÃt übersetzt: Du willst Frauen im Internet kennenlernen und brauchst von mir ein paar Tipps? Verstehe ich das richtig?
re:
Nein. Ich bin nur einfach neugierig. Du bist der erste Mann, den ich kenne, der Frauen im Internet kennenlernt. Das gab es zu meiner Zeit, im vergangenen Jahrtausend, noch nicht. Ich habe meine Frau an der Universität kennengelernt. Ich weià also nichts von dieser Welt, deshalb würde ich es sehr schätzen, wenn du mir das alles detailliert erklären könntest. Wie jagt man im Internet? Welche Regeln und Tricks gibt es? Nach welchen Kriterien wählst du Frauen aus, die du treffen willst? Diese Sachen eben. Ganz theoretisch, null privat!
aw:
Lieber Maxim, ich schätze deine Neugier und deinen Wissensdurst. Beides macht einen Mann attraktiv. Falls du also doch noch mal in die Verlegenheit kommen solltest, im Internet eine Frau kennenzulernen, dann schreib in dein Profil: »Bin neugierig und voller Wissensdurst«.
Ich schätze, du weiÃt, wie man jagt. Ob Internet oder Universität, ob altes Jahrtausend oder neues Jahrtausend, ist völlig egal. Das männliche Jagdprinzip basiert seit jeher auf der schmeichelnden Lüge.
Man sagt zu einer Frau oft »toll« und »interessant«, auch wenn man vielleicht denkt: Na ja, nicht so toll und auch überhaupt nicht inte ressant. Die beste, charmanteste Lüge ist das Nicken. Man
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