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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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dazu, dann sind 90 Prozent meiner Zeit bereits verplant. Von den übrigen zehn Prozent liege ich die Hälfte bräsig auf der Couch.
    Die freie Zeit unterteilt sich in Abende und Wochenenden. Von den vier Märzwochenenden haben wir zwei in unserem Häuschen auf dem Land verbracht. Es ist gerade Frühjahrsputzzeit, das heißt, das welke Gras wird weggeharkt, Bäume und Sträucher werden beschnitten, Maulwurfshügel eingeebnet. Wir sind den ganzen Tag an der frischen Luft und gehen gegen zehn ins Bett. Die Kinder sind nicht besonders scharf auf diese Arbeitswochenenden, weshalb wir ihnen erlauben, Freundinnen mitzunehmen. So können wir in Ruhe im Garten arbeiten, haben allerdings vier Kinder zu versorgen.
    Die Abende sehen so aus: Montags spiele ich Fußball und gehe danach meist ein Bier trinken. Dienstags gehen Catherine und ich oft ins Kino. Mittwochs geht Catherine mit ihren Freundinnen weg, und ich passe auf die Kinder auf. Der Donnerstag ist der Überraschungstag. Und freitags geht es abends aufs Land.
    Ein Familienleben hat eine ganz eigene Logik. Es geht darum, dass alle irgendwie zufrieden sind. Das Kollektiv zählt, nicht der Einzelne.
    Ich bin fast nie mit mir alleine. Wenn du mich fragen würdest, was mir am meisten fehlt, dann würde ich sagen: Mal wieder ganz alleine sein, meine Wünsche ernst nehmen. Das verlernt man mit der Zeit. Man denkt, es sei nicht so wichtig. Man selbst sei nicht so wichtig. Nicht so wichtig jedenfalls wie das große Ganze. Die Familie. Man verschwindet als Einzelmensch.
    Ich mache nur noch Sachen, die zu den Sachen passen, die ich ohnehin schon mache.
    Aus der Familienfestung grüßt, Maxim.
    aw:
    Dieser Donnerstag, warum heißt der Überraschungstag?
    re:
    Lieber Jochen, der Donnerstag heißt Überraschungstag, weil er als Einziger übrig geblieben ist. Alle anderen Tage um ihn herum sind schon mit Programm gefüllt. Nur der Donnerstag ist leer geblieben.
    Ich weiß gar nicht, ob Catherine ihn auch Überraschungstag nennt. Für mich ist er jedenfalls eine kleine Insel im Ozean der verplanten Zeit. Ein Alles-kann-nichts-muss-Abend. Das ist so entspannend, dass wir am Donnerstag meistens gar nichts machen. Der Abend plätschert dahin. Wir reden ein bisschen, gucken Nachrichten. Manchmal haben wir Sex. Ich würde sagen, die Sexwahrscheinlichkeit ist am Donnerstag höher als an anderen Tagen. Vielleicht liegt es an diesem Ich-habe-noch-nichts-vor-Gefühl. Es ist, wenn du so willst, unser Abenteuertag. Allerdings hüten wir uns, ihn so zu nennen, weil sonst gleich so ein Abenteuerdruck entstehen würde. Überraschungstag klingt offener. Man darf sogar überraschend einschlafen.
    aw:
    Okay, korrekt müsste der Überraschungstag also heißen: Ȇbrig gebliebener Donnerstagabend, an dem wir Nachrichten gucken oder vielleicht Sex haben oder gar nichts machen.«
    Nachrichten oder Sex klingt für mich wie: Ich esse Knäckebrot mit Margarine. Oder wir machen Kaviarfondue. Sex ist bei dir gleichberechtigt mit Fernsehnachrichten. Das ist nicht gut, Maxim.
    Ist am Überraschungstag jemals etwas Überraschendes passiert?
    re:
    Ich will nicht sagen, dass uns Nachrichten scharfmachen, aber sie ver hindern auch nichts. Außerdem sind Nachrichten so ziemlich das Einzige, was mich im Fernsehen interessiert. Es ist auch das Einzige, von dem ich sicher bin, dass es Catherine und mich gleichermaßen interessiert. Es ist sozusagen unser kleinster gemeinsamer Unterhaltungsnenner. Ob am Überraschungstag auch mal was Überraschendes passiert? Nein.
    aw:
    Lieber Maxim, ich habe sechs Überraschungstage. Würden wir zusammenziehen, hätten wir eine ganze Überraschungswoche. Wie klingt das für dich?
    Mein einziger überraschungsfreier Tag ist der Mittwoch. Da spiele ich abends Hallenfußball. Ansonsten ist, rein privat, alles frei. Ich kann sechs Tage auffüllen, frei gestalten.
    Meist gehe ich »was essen«. Oder »was trinken«. Oder erst »was essen« und dann noch »was trinken«. Und nach dem Trinken gibt es »den Absacker«. Wahrscheinlich trinke ich öfter einen Absacker, als ich Brot kaufe.
    re:
    Versuchst du deine Abende mit ein bisschen Vorlauf zu organisieren? Oder anders gefragt: Beunruhigen dich zwei, drei Abende hintereinander ohne Verabredung?
    aw:
    Vorlauf, nein. Beunruhigung, manchmal. Man muss unterscheiden zwischen Frühling /Sommer und Herbst /

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