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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Winston-Salem und sonstwo, eine Unmenge von Zigaretten, ausgeschüttet wie aus einem Füllhorn. Es lag am Meskalin.
    Er war auf seinem Trip. Wenn die Leute wüßten, wie er das Wort Kristall dachte (krrrrissstalll), sie würden die Köpfe zu-sammenstecken und über ihn tuscheln: Ja, seht nur, er ist wirklich verrückt. Ein totaler Spinner! Spinner, das war noch so ein schönes Wort. Plötzlich wünschte er sich, daß Sal Magliore hier wäre. Er und der Einäugige Sally würden sich zusammensetzen und alle Aspekte der Organisation von Hehlergeschäften durchdiskutieren. Sie würden über alte Huren und Explosionen reden. Vor seinem inneren Auge sah er sich und Sally Magliore in einem italienischen ristorante mit dunkelge-täfelten Wänden sitzen und an einem rissigen Holztisch Pizza essen, während im Hintergrund leise Violinenklänge aus dem Film Der Pate aus der Stereoanlage säuselten. Es war ein verschwenderischer Technicolorfilm, in den er sich hin-einfallen ließ wie in ein warmes Schaumbad.
    »Krrrrissstalll«, sagte er leise zu sich selbst und grinste. Es schien, als hätte er schon stundenlang so dagesessen und über diese Dinge nachgedacht, aber die Asche an seiner Zigarette war nicht einen Millimeter weitergewachsen. Es war erstaunlich. Er zog noch einmal.
    »Bart?«
    Er blickte auf. Es war Mary. Sie hatte ihm einen Happen zu essen mitgebracht. Er lächelte ihr zu. »Setz dich. Ist das für mich?«
    »Ja.« Sie reichte ihm das Sandwich. Es war ein kleines, dreieckiges Stückchen Brot mit einem rosa Fleck in der Mitte.
    Ihm fiel plötzlich ein, daß Mary ängstlich, ja entsetzt reagieren würde, wenn sie wüßte, daß er sich auf einem Trip befand. Sie würde sofort den Notarzt rufen, die Polizei, Gott weiß wen. Er mußte sich also normal verhalten. Aber die Vorstellung von Normalität fand er ausgesprochen seltsam.
    »Ich werde es später essen«, sagte er und steckte das Sandwich in seine Jackentasche.
    »Bart? Bist du betrunken?«
    »Nur ein bißchen«, antwortete er. Er konnte die Poren ihrer Gesichtshaut sehen. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie jemals so klar und deutlich gesehen zu haben. So viele kleine Löcher, als ob Gott ein Bäcker und ihr Gesicht eine Kuchenkruste wäre. Er kicherte, und als sie die Stirn runzelte, sagte er verschwörerisch: »Erzähl’s nicht weiter.«
    »Was?« Sie war ehrlich verblüfft.
    »Das mit dem Produkt Vier.«
    »Bart, was, in Gottes Namen, hast du …«
    »Ich muß mal aufs Klo«, sagte er. »Bin gleich zurück.« Er stand auf und ging weg, ohne sich noch einmal nach ihr umzublicken, aber er spürte die Strahlen ihrer Verwirrung hinter ihm hereilen wie die Hitzestrahlen eines Mikrowellenher-des. Wenn er sich nicht umdrehte, würde er sich möglicher-weise nicht verraten. In dieser besten aller möglichen Welten war ja alles möglich, selbst krrristallene Wendeltreppen. Er lächelte selbstzufrieden. Das Wort war schon ein alter Freund geworden.
    Der Trip zum Badezimmer war eine Odyssee, eine Safari.
    Der Partylärm hatte einen zyklischen Rhythmus angenommen, er schien regelmäßig ANZUSCHWELLEN und alle DREI SILBEN wieder ABZUSCHWELLEN, und selbst die STEREOANLAGE wurde immer wieder LAUTER und LEISER. Er murmelte ein paar Sätze zu Leuten, die er zu kennen glaubte, weigerte sich jedoch, an einer Unterhaltung teilzu-nehmen. Wenn man ihn ansprach, deutete er nur lächelnd auf seine Hosenklappe und ging vorbei. Fragende Gesichter sahen ihm nach. Warum gab es nie eine Party voller Fremder, wenn man so etwas brauchte? schimpfte er im stillen.
    Das Klo war besetzt. Er wartete, wie es schien, stundenlang, und als er endlich drankam, konnte er nicht pinkeln, obwohl er glaubte, daß er es dringend nötig hätte. Er betrachtete die Wand hinter dem Klo und hatte das Gefühl, daß sie sich in gleichmäßigem Dreiertakt nach innen und nach außen wölbte. Obwohl er nichts gemacht hatte, spülte er für den Fall, daß draußen jemand stand und zuhörte. Das Wasser wirbelte in dunkelrosa Strudeln in der Kloschüssel. Es sah aus, als habe der letzte Besucher Blut abgelassen. Beunruhigend. 
    Er verließ das Badezimmer, und der Partylärm schlug ihm mit aller Wucht entgegen. Gesichter kamen näher und verschwanden wie segelnde Luftballons. Aber die Musik war sehr schön. Eine Elvis-Platte. Guter alter Elvis. Sing weiter, Elvis, sing weiter.
    Marys Gesicht tauchte vor ihm auf, besorgt, verärgert.
    »Bart, was ist mit dir los?«
    »Mit mir? Nichts.« Er war verwundert,

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