Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
ersten Enkelsohn beim FuÃball zuzuschauen. Die beiden waren recht junge GroÃeltern, gerade mal Mitte fünfzig, und der 6-Jährige Enkel war ihr ganzer Stolz. Es war sein erstes FuÃballturnier, und Opa Jürgen hatte ihn wie verrückt vom Spielfeldrand angefeuert.
Irgendwann wurde Jürgen R. ein bisschen übel, und seine Frau schimpfte mit ihm, dass er nicht genug getrunken habe. Es sei schlieÃlich ein heiÃer Tag, er müsse auf seine Flüssigkeitszufuhr achten, dass hatte sie ihm doch bestimmt schon zehnmal gesagt. Also trank Jürgen R. brav einen halben Liter Wasser, doch besser fühlte er sich deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil. Nach einer Weile klagte er zusätzlich über leichte Schmerzen im Brustbereich. Nichts Schlimmes, aber durchaus spürbar.
Jürgen und Carla R. gehörten nicht zu den Leuten, die leichtfertig mit ihrer Gesundheit umgingen. Sie rauchten nicht, tranken nur in MaÃen Alkohol und achteten auf eine ausgewogene Ernährung. Die Hitze, verbunden mit dem Flüssigkeitsmangel und den leichten Schmerzen, reichten ihnen, um nach dem FuÃballspiel einen kurzen Abstecher in die Notaufnahme zu machen. Sicher ist sicher, sagten sie zu sich, lieber einmal zu viel zum Arzt als einmal zu wenig.
Als sie zu mir kamen, hatte die kühle Luft der Autoklimaanlage Jürgen R. offensichtlich gutgetan. Er fühlte sich nicht mehr so überhitzt und ausgelaugt, auch die Ãbelkeit war besser, sagte er mir, nur die leichten Schmerzen in der Brust seien noch vorhanden.
Herr R. war ein sportlicher Mann, der kein Kilo zu viel auf den Rippen hatte. Er machte einen durchtrainierten Eindruck und schien insgesamt in einer guten körperlichen Verfassung zu sein. Dennoch durfte man unklare Brustschmerzen nicht auf die leichte Schulter nehmen.
»Gut«, sagte ich zu Frau R. »Dann warten Sie doch bitte solange im Wartezimmer, während Ihr Mann untersucht wird.«
Frau R. nickte ihrem Mann kurz zu und verschwand daraufhin im Wartezimmer.
Jürgen R. folgte mir in den Behandlungsraum.
»So, Herr R., dann geben Sie mir doch bitte mal Ihre Versichertenkarte und machen sich obenrum schon mal frei. Der Doktor kommt soâ¦Â«
Ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Nur kurz hatte ich Jürgen R. den Rücken zugedreht, als ein lauter Knall den Raum erfüllte.
Von einer Sekunde auf die andere war Jürgen R. tot auf den Boden geknallt.
Ich rief sofort das Schockteam, das innerhalb kürzester Zeit den Raum betrat und sofort mit den ReanimationsmaÃnahmen begann. Wir taten alles, was in unserer Macht stand, um den Mann ins Leben zurückzurufen.
Nach über einer Stunde erklärte schlieÃlich Dr. Alma A.: »Es hat keinen Zweck mehr. Es ist vorbei.«
Wie gelähmt starrte ich auf Jürgen R., der vor zwei Stunden noch auf dem FuÃballplatz stand und seinen Enkel vom Spielfeldrand aus angefeuert hatte.
Die Obduktion sollte später ergeben, dass er an einem extrem schweren Infarkt verstorben war. Es gab nichts, was ihn hätte retten können.
Leer und müde verlieà ich den Behandlungsraum, erschüttert darüber, wie schnell der Tod mitunter zuschlagen konnte. Und dann erblickte ich Carla R., die ahnungslos im Wartezimmer saà und lächelnd die Fotos auf ihrer Digitalkamera durchsah, die ihr Mann noch vor ein paar Stunden auf dem FuÃballplatz gemacht hatte.
Ich sah, wie unsere Internistin Dr. A. schweren Herzens in das Wartezimmer ging, um die völlig ahnungslose Frau R., die ihren Mann wegen leichten Unwohlseins zu uns gebracht hatte, nun von dessen Tod zu unterrichten.
Als ich weiterging, hörte ich noch, wie Frau R. laut aufschrie.
Es war einer der traurigsten Momente meines Berufslebens.
***
Wie ich bereits erwähnte: Ich besitze groÃen Respekt vor dem Tod. Er ist und bleibt eine ernste Angelegenheit, und obwohl ich tagtäglich mit ihm konfrontiert werde, ist es für mich als Krankenschwester dennoch alles andere als leicht, den richtigen Umgang mit ihm zu finden.
Ich betone das deshalb, weil es sich für AuÃenstehende vielleicht makaber anhören mag, wenn ich jetzt sage, dass wir in der Notaufnahme sehr darauf bedacht sind, nur lebende Patienten aufzunehmen. Fährt ein Rettungswagen mit einem Toten vor, lassen wir ihn gar nicht erst hinein.
Aus einem einfachen Grund:
Ein Toter nimmt irre viel Zeit in Anspruch. Zeit, die wir sonst den lebenden Patienten widmen könnten
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