Spur ins Eis
Kaffee –, und wie auf ein Stichwort tauchte ein paar Hundert Meter weiter ein Schild auf, das auf einen Starbucks neben einer Tankstelle an der Autobahn hinwies.
Es machte ihn zwar nervös, die Frau allein zu lassen, aber sie stellte eigentlich keine Gefahr dar, da sie unter Drogen stand. Und wenn er heil in Idaho ankommen wollte, ohne einzuschlafen und sie beide umzubringen, brauchte er dringend Koffein.
Im Laden duftete es nach Kaffee. Die verchromten Geräte glänzten und aus den Lautsprechern an der Decke drang Musik.
In der Schlange vor ihm standen neun Personen.
Rachael trieb in einem warmen, dunklen Meer. Es schien Jahre zu dauern, bis sie endlich die Augen öffnen konnte, und als sie es tat, schaute sie blinzelnd in grelle Lichter. Um sie herum war Lärm. Sie stöhnte leise, allerdings nicht aus Schmerz, sondern aus brennender Euphorie.
Sie saß, mit dem Sicherheitsgurt angeschnallt, auf dem Beifahrersitz des Escalade. Der Wagen stand, aber der Motor lief. Mühsam drehte sie den Kopf zum Fahrersitz. Er war leer.
Sie blickte durch die getönten Scheiben und versuchte, ihre Umgebung zu erkennen, aber schon die leiseste Bewegung ließ alles verschwimmen. Es kostete sie außergewöhnliche Willenskraft, ihre Gedanken nicht abschweifen zu lassen, aber dumpf war sie sich bewusst, dass sie in Schwierigkeiten steckte. Sie wusste nur nicht, was passiert oder wie sie hierher gekommen war. Sie wusste nur, dass sie aus dem Auto herausmusste, bevor der Fahrer zurückkam.
Wenn sie ganz still saß, konnte sie die Umgebung draußen erkennen. Sie sah die hellen Lichter einer vertrauten Kette. Der Escalade parkte neben dem Eingang.
Drinnen hatte sich eine Schlange vor der Kasse gebildet. Der Mann, der den Escalade gefahren hatte, stand am Ende und beobachtete sie.
Von seinem Platz aus konnte Javier durch die große Glasfront erkennen, dass die Frau nicht mehr bewusstlos war, sondern sich aufsetzte.
Eine Kundin nahm ihr Getränk entgegen, und die Schlange rückte vor.
Das nächste Paar bestellte Latte Macchiato und Kuchen. Er stand direkt neben der Vitrine und sah zu, wie die Hand des stämmigen Barista zwei Stück Krümelkuchen herausholte.
Er blickte nach draußen. Die Frau schaute nach unten. Wahrscheinlich hatte sie gemerkt, was er mit dem Gurt gemacht hatte.
Der nächste Kunde, ein LKW -Fahrer.
»Nur Kaffee, Schätzchen.«
Guter Mann.
Dann eine Frau, die irgendein ein teures Wasser wollte, eine kurze Transaktion mit der Kreditkarte, und Vorfreude stieg in Javier auf. Gleich würde er sein Koffein bekommen und endlich weiterfahren können.
Sie wollte den Sicherheitsgurt lösen, musste aber feststellen, dass der Knopf dick mit Klebeband umwickelt war. Zu benommen und zu schwach, um es abzureißen, hob sie den Arm. Beim vierten Versuch gelang es ihr, den Schalter zu betätigen, der die Scheibe heruntergleiten ließ.
Rasch verschwand das getönte Glas in der Tür. Nachtluft drang ins Auto. Es roch nach Benzin und Öl. Von der Autobahn drang das unablässige Rauschen des Verkehrs. Die Luft war viel zu kühl für Süd-Arizona, und obwohl die Drogen sie benommen machten, fragte sie sich, wie weit sie wohl von zu Hause weg war.
Jetzt war nur noch eine Familie vor ihm – Vater und Mutter, ein Mädchen im Teenageralter und ein kleiner Junge, der Javier schon verstohlen musterte, seit er den Laden betreten hatte.
Vater : Kaffee.
Junge : Heiße Schokolade.
Mädchen : Latte Macchiato.
Javier blickte zu seinem Escalade und sah, wie das Fenster herunter glitt.
Mutter : »Ich möchte gerne einen geeisten, geschäumten, zehn Mal gepumpten Magermilch-Chai Latte, aber ohne Schaum.«
Javier starrte finster auf die Registrierkasse. Seine Schläfen begannen zu pochen.
Der Barista grinste. »Können Sie das bitte wiederholen ? Eine Spur langsamer bitte.«
»Geeist. Mit Magermilch. Geschäumt. Chai latte. Zehn Mal gepumpt. Ohne Schaum.«
»Das zusätzliche Pumpen muss ich extra berechnen.«
»Das macht nichts.«
»Ich bin heute erst den zweiten Tag da, also lassen Sie mich das mal klarstellen. Wenn Sie ›Magermilch‹ sagen …«
»Dann meine ich Milch ohne Fett.«
Der Barista verzog das Gesicht. »Die ist gerade alle.«
»Oh nein.« Die Mutter sank in sich zusammen. Javier schätzte, dass sein Blutdruck bestimmt schon auf 130/90 gestiegen war. Seine Ohrläppchen prickelten.
»Wir haben zweiprozentige.«
»Und einprozentige ?«
»Tut mir leid.«
»Und wenn sie ihn mit Wasser machen ?«
»Mit Wasser
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