Spurlos
gekleidet – und frisiert. Sie trug nie Make-up und immer flache Schuhe, die ihre in der Hitze anschwellenden Beine noch massiver erscheinen ließen. Ihre Brille war ein altes, längst aus der Mode gekommenes Modell mit zu großen und zu runden Gläsern. Ihre blasse Haut war mit rötlichen Hitzeflecken bedeckt. Das dunkelblonde Haar hatte sie einfach zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, der schlaff auf ihren Nacken fiel. Meg hätte allen Grund haben können, auf sie, die attraktivere, jüngere, wohlhabende Alison, neidisch zu sein. Aber Neid, das hatte Meg ihr einmal anvertraut, war ein ihr fremdes Gefühl. Meg ging in ihrer Arbeit am Writer’s Center auf – und war glücklicht mit Nick verheiratet, einem drahtigen, nicht besonders großen Mann, der als Busfahrer für die Stadt arbeitete und der, so oft ihn Alison getroffen hatte, meist entspannt und guter Dinge war. Bevor Alison die Begrüßung erwidern konnte, sagte Meg:
„Oh – was Schlimmes?“, und sah sie mit ihren braunen Augen durch ihre große Brille an.
Alison hatte sich vorgenommen, nichts zu erwähnen, und die Sache mit sich selbst auszutragen.
„ Komm, setz’ dich erst mal.“ Meg erhob sich. Ihr blaues, mit winzigen Sternchen gemustertes Kleid wogte um ihren massigen Körper als sie zur Kaffeemaschine ging. Alison ließ sich auf ihren Drehstuhl mit dem fadenscheinigen roten Stoff sinken. Ihr Widerstand fiel vollends in sich zusammen als Meg fürsorglich die Milch in der Tasse verrührte und sie ihr reichte.
„Matthew betrügt mich.“ Die Worte hörten sich fremd an. Nein, es konnte nicht sein, dass ihr, Alison, geborene van Oosterzee, so etwas passiert war.
Meg zog sich einen anderen, in der Mitte des Raums abgestellten Bürostuhl heran. „Bist du sicher?“
Alison nickte – und dann erzählte sie Meg alles.
Gestern war sie mit ihrer Schwester Christine im Deckchair-Cinema gewesen, einem unterhalb der City, nicht weit von der Stokes Hill Wharf, dem Kai an dem sich Restaurants angesiedelt hatten, entfernt gelegenen sehr beliebten Open-Air-Kino. Sie traf sich nicht oft aber doch in regelmäßigen einmonatigen Abständen mit ihrer jüngeren Schwester. Hätten sie in einer größeren und mehr Unterhaltung bietenden Stadt als Darwin gelebt, wusste Alison, hätten sie sich seltener getroffen. Sie waren einfach zu verschieden. Alles an der sechs Jahre jüngeren Christine war schriller und auffälliger als an ihr. War Alisons Haar honigblond, war das von Christine wasserstoffblond, trug Alison kurze Kleider, waren die von Christine geradezu obszön kurz und auch grell gemustert. Christine wog ein paar Kilo mehr als Alison und das machte sie, die auch fast zehn Zentimeter kleiner war, kompakter: Ihr Hals wirkte gedrungener, ihre Schultern waren breiter und ihre Füße größer.
Dennoch: Christine war durchaus nicht unattraktiv. Sie bewegte sich geschmeidig auf ihren dünnen Absätzen, hatte ein ansteckendes Lachen und brachte in jede langweilige Barbecueparty Schwung. Sie hatte kein Glück bei den Männern – nein, Alison berichtigte sich - sie hatte vielleicht zu oft Glück. Ihre Liebschaften lösten sich in nicht allzu großen Abständen ab und geheiratet hatte sie nur einmal. Phil, einen ehemaligen Cricket-Spieler. Diese Heirat hatte den Bruch mit ihrem Vater herbeigeführt. Dieses Ereignis lag nun schon acht Jahre zurück. Seitdem hatte sie an keiner einzigen Familienfeier mehr teilgenommen. Ihr Vater wiederum, seiner jüngeren Tochter was Dickköpfigkeit anging, nicht nachstehend, hatte nach dem Bruch jegliche finanzielle Unterstützung eingestellt. Nach den unterschiedlichsten Jobs war Christine seit einem halben Jahr in einem Friseurladen beschäftigt, und Alison hatte den Eindruck, dass ihr dieser Beruf endlich Spaß machte.
Sie hatten sich gerade mit einem Drink in die bequemen Liegstühle fallen lassen, und warteten mit der hereinbrechenden Dämmerung auf den Beginn des Films, als Christine den Strohhalm ihres Cocktails aus dem Mund schnippte und in beiläufigem Ton begann: „Ach, übrigens, Alison …“ Sie brach ab und ihr Blick flüchtete sich auf die Rücken der vor ihnen Sitzenden.
Alison erwartete Christines Bitte um eine finanzielle Hilfe, die sie natürlich so schnell wie möglich zurückzahlen würde. In Gedanken überschlug sie bereits einen Betrag, den sie entbehren könnte. Das auf ihren und Matthews Namen laufende Konto hätte sie nie ohne seine Zustimmung anzurühren gewagt. Und Matthew hätte ganz sicher nicht
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