Spurlos
zugestimmt.
„Wie viel brauchst du?“, fragte Alison also, als Christine nicht weiter sprach. Da erst kehrte Christines Blick wieder zu ihr zurück. In ihren Augen lag ein seltsames Glühen und im Nachhinein fragte sich Alison, ob Christine diesen Moment besonders genoss. „Ich brauche kein Geld.“
Alison ignorierte den spitzen Unterton.
Christine saugte an ihrem Strohhalm. „Ich hab’ übrigens deinen Matthew mit einer jungen Frau gesehen. Das Ganze wirkte ziemlich ... äh ... vertraulich.“
An das, was dann geschehen war, konnte sich Alison nur noch vage erinnern. Sie war wütend geworden, hatte Christine beschimpft, Matthew schlecht zu machen, und war dann aufgesprungen und gegangen. Ziellos war sie durch die Stadt gefahren, und erst, auf dem langen Stuart Highway entlang des Flughafengeländes war ihr klar geworden, dass ihre Schwester nichts dafür konnte.
Irgendwann fuhr sie heim, legte sich ins gemeinsame Bett. Spät in der Nacht als sie ihn kommen hörte, kauerte sie sich an den äußersten Rand des Bettes und stellte sich schlafend. Doch Matthew ging ins Gästezimmer. Am Morgen konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. Sie fragte sich, ob dies derselbe Mensch war, den sie vor achtzehn Jahren geheiratet hatte, und wann sie aufgehört hatte, ihn genau anzusehen.
2
„Er weiß nicht, was er an dir hat!“ Meg schüttelte heftig den Kopf. Die roten Flecken auf ihrer Haut waren dunkler geworden, wie immer, wenn sie sich aufregte. Christine hatte ihr sogar den Namen der Frau genannt. Sie hieß Valerie Tate und war zweimal Kundin im Friseursalon gewesen.
„Wie alt?“ , wollte Meg wissen.
„Sechsundzwanzig.“ Das war die nackte, bittere Wahrheit.
„Mein Gott, Schätzchen, und jetzt?“
Alison zuckte mit den Schultern. Diese Frage hatte sie sich auch gestellt – und nicht nur einmal.
„Hast du es Matthew gesagt?“
„Nein.“
„Sag’s ihm! Stell’ ihn vor die Wahl: du oder sie!“
Das hätte Alison sicher auch einer Freundin in dieser Situation geraten. Doch eine merkwürdige Lähmung hatte sie befallen, die sie dazu zwang, zuzusehen anstatt zu handeln.
„ Alison! Das darfst du dir doch nicht gefallen lassen!“
Auch das hätte sie der Freundin gesagt. Ein Klopfen an der Tür ließ sie beide herumfahren.
„Wer hat sich denn schon so früh zu uns verirrt?“ Meg hob verwundert die Brauen. „Na gut, reden wir später weiter.“
Alison nickte. Sie war ganz froh für den Themenwechsel.
„Nur herein!“ , rief Meg fröhlich.
D as erste, was die beiden Frauen zu sehen bekamen war ein von der Sonne gebräuntes Gesicht, mit eckigem Kinn, weichen, geschwungenen Lippen und strahlenden Augen, die vom jahrelangen Zukneifen im hellen Licht Falten umspielten. Ein ehemaliger Segler, dachte Alison, oder Tennis-Spieler – dazu passten sein hellblaues Poloshirt und die weißen Hosen.
„Oh, ich wollte nicht stören…“ Er lächelte charmant, nein, er strahlte. Seine Stimme war angenehm.
„ Brett!“ Meg wandte sich an Alison. „Alison, das ist Brett Horkay! Vielgereister Romancier, Journalist, Sprachlehrer, Höhlenforscher und …“ Sie lachte kokett. „Hab’ ich was vergessen?“
„Und guter Freund!“ Jetzt lachte er und zeigte in seinem großen Mund weiße Zähne. Er war sicher einen Meter fünfundachtzig groß und hatte einen durchtrainierten Körper. Wie alt mochte er sein? Vierzig?
„Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Brett.“ Alison streckte ihm steif ihren Arm entgegen. Seine Hand war warm und fest. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, ob sie Matthew nicht eins auswischen, und eine Affäre mit dem erstbesten Mann anfangen sollte.
„Willst du einen Kaffee, Brett?“ Meg stand bereits auf, „das ist Alison, meine geschätzte Kollegin. Sei ein bisschen nett zu ihr, sie hat´s gerade nicht leicht.“
Alison warf Meg einen strafenden Blick zu, den diese nur mit einem Augenbrauenhochziehen und einem lapidaren Schulterzucken abtat, und auf die Kaffeemaschine zusteuerte.
„Oh, das tut mir leid“, er lächelte – wie Alison fand, ein wenig zu mitfühlend. Sie winkte ab. „Reden wir von etwas anderem.“
E r nickte verständig und verschränkte die blond behaarten Arme vor der breiten Brust.
„Meg ist manchmal etwas taktlos!“
Meg rollte die Augen und reichte ihm einen Becher Kaffee. Er nahm ein paar Schlücke ohne sich hinzusetzen während Meg Alison berichtete, dass Brett bei ihr und ihrem Mann wohnte, genauer gesagt im „Granny Apartment“: zwei Zimmern neben
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