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Stadt aus Trug und Schatten

Stadt aus Trug und Schatten

Titel: Stadt aus Trug und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Gläser
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zusammenreißen, Marian. Alles wird nach Plan verlaufen.«
    Im Nebenzimmer ertönte ein Seufzen. »Ich glaube, ich habe Flora verloren. Wieder. Sie traut mir nicht, und als wäre das noch nicht genug, habe ich Idiot sie mit dem Polarschatten fast zu Tode erschreckt. Wie konnte ich nur? Diesmal habe ich es vielleicht endgültig vermasselt.«
    Christabel antwortete mit einem gemurmelten »Möglicherweise«, während ich die Beine aus dem Bett schwang und mich geräuschvoll auf den Weg in Richtung Badezimmer machte. Sollten sich die beiden doch streiten, worüber sie wollten. Langsam wurde mir das alles zu viel. Gerade war ich noch durch die Schattenwelt gewandert und nun …
    Mir wurde übel von all den Dingen, die ich im Moment erlebte. Egal, ob ich wach war oder schlief, Tag und Nacht überschlugen sich die Ereignisse, nie kam ich zur Ruhe. Zwar fühlte ich mich körperlich fit, doch mein Geist war müde. Meine Gedanken brauchten eine Pause. Vor allem von Marian wollte ich im Augenblick nichts mehr hören oder sehen. Ich hatte einfach nicht mehr die Kraft, mich mit unseren Gefühlen füreinander auseinanderzusetzen. Ich wollte an diesem Samstagmorgen allein sein und sonst gar nichts.
    Es war kühl geworden. Die Luft, die zum Fenster hereinwehte, roch nach Herbst und warmen Pullovern. Ich fröstelte, als ich aus der Dusche stieg, und schlüpfte eilig in eine Jeans und mein Kuschelsweatshirt. Auf dem Weg zum Treppenhaus schnappte ich mir außerdem ein Halstuch und meine Handtasche, dann zog ich auch schon die Tür hinter mir zu. Christabel, der ich im Flur begegnet war, nahm an, ich wolle Brötchen holen, das machte ich am Wochenende häufig. Heute allerdings hatte ich etwas anderes im Sinn.
    Kaum hatte ich die Haustür aufgeschlossen, trat ich in eine Wand aus milchigem Nebel, der von der Ruhr heraufgezogen war und in unserer Straße hing wie ein abgestürztes Wolkengebirge. Durch ihn wirkten die Häuser und die am Straßenrand stehenden Autos so farblos, dass es mir für einen Augenblick so vorkam, als wäre ich wieder in Eisenheim.
    Dann bemerkte ich die Gestalt, die an einem der Ginkgobäume lehnte, die zwischen den Parkbuchten am Straßenrand wuchsen. Für die Dauer eines Wimpernschlages glaubte ich, es sei Marian, so wie ich ständig meinte, ihn zu sehen. Dann erkannte ich den dunklen Haarschopf und die gepiercte Unterlippe.
    »Was tust du denn hier?«, entfuhr es mir. Der Nebel verschluckte meine Worte, ehe sie von den Häuserwänden zurückgeworfen wurden.
    Linus reckte sich und ließ seinen Kopf im Nacken kreisen, als wäre er von der feuchten Kälte hier draußen ganz steif, weil er lange in ein und derselben Position verharrt hatte. Schließlich lächelte er mich an. »Guten Morgen«, sagte er. Es klang schlaftrunken.
    »Hast du etwa hier auf mich gewartet? Seit wann?«
    »Ein paar Stunden.« Er zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Ich konnte nicht schlafen heute Nacht.«
    »Und deshalb kommst du her und stehst vor meinem Haus herum?« Ich spürte selbst, dass meine Nerven heute Morgen blank lagen, und versuchte, tief durchzuatmen und mich zu beruhigen.
    »Ich mache mir Sorgen um dich, Flora.«
    Ich hob eine Augenbraue.
    Er trat von einem Fuß auf den anderen. »Komm schon, seit dieser Typ bei euch aufgetaucht ist, hast du doch irgendwas. Du veränderst dich, Flora, merkst du das nicht? So bist du doch gar nicht.«
    »Blödsinn«, schnaubte ich und setzte mich in Bewegung. Ich war es wirklich leid, dass anscheinend jeder besser als ich selbst wusste, wer und wie ich war.
    Ich ging schnell, doch Linus hielt mühelos mit. »Mann, du warst gestern nicht in der Schule!«
    »Mir ging es nicht so gut. Mein Vater schreibt mir eine Entschuldigung.«
    »Du hast seit fünf Jahren nicht eine einzige Unterrichtsstunde versäumt!«, rief er. »Es ist wegen diesem Typen, nicht wahr? Da läuft was zwischen euch, hab ich recht?« Ich antwortete nicht gleich, was Linus als Bestätigung ansah. »Er ist nicht gut für dich. Diese ganze Austauschsache stinkt doch zum Himmel. Du solltest dich von ihm fernhalten, ehrlich.« Er versuchte, einen Arm um mich zu legen, doch ich entwand mich seinem Griff.
    »Und du solltest lernen, deine Eifersucht in den Griff zu bekommen«, fauchte ich. Wir überquerten mittlerweile die Kurt-Schumacher-Brücke. Ohne es bewusst entschieden zu haben, hatte ich jenen Weg eingeschlagen, der auf der Karte in Notre-Dame eingezeichnet gewesen war.
    Linus senkte den Blick. »Es ist nicht nur, dass ich

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