Stadt der blauen Paläste
ganze Fragerei?«, sagte er dann heftig. »Was traust du mir zu? Und weshalb denn überhaupt nicht? Du hast deinen Palazzo, Clemens hat seinen Salzhandel, Bianca wird vermutlich einmal heiraten. Ich muss für mich selber sorgen. In England gehen die zweiten Söhne entweder in den Kirchendienst oder zum Militär. Ich will weder das eine noch das andere. Und«, Ludovico machte ein paar Schritte auf seine Mutter zu und ließ seinen Finger an der Wand entlang über die Bilder der Dogen gleiten, »da ich auch ganz gewiss nicht die Chance haben werde, einstmals hier zu hängen, muss ich mir eben etwas anderes einfallen lassen. Wenn Vater noch lebte, hätte er ganz gewiss nichts dagegen.«
Eine Weile war Stille. Ludovico starrte auf die Dogenbilder, als könne seiner Mutter von dort eine Offenbarung zuteil werden, die ihm nutzen würde.
»Wieso bist du eigentlich so sicher, dass diese Sklavenkapitäne das große Geld machen können?«
»Schau dir doch deinen Vetter an«, sagte Ludovico laut und ging zum Fenster, »so etwas wie wir, so einen Palazzo, hat er schon lange. Du siehst ihn zwar nicht von hier und er liegt auch an einem schmalen Seitenkanal, aber es ist trotz allem ein Palazzo. Und das Mobiliar ist erstklassig.«
»Warst du schon dort?«
»Ja.«
»Von wem hat er diesen Palazzo? Ich meine, wem hat er früher gehört?«
»Woher soll ich das wissen?«, sagte Ludovico störrisch. »Meinst du, jemand, der einmal als Spitzel der Stadt gearbeitet hat, sich seine Dukaten mit der Denunziation von Menschen verdient hat, erzählt einem grünen Jungen wie mir, wie er sich diesen Palazzo erobert hat?«
»Aus welcher Zeit stammt er denn?«, fragte sie dann zögernd.
»Hör zu, ich kann einen Palazzo vielleicht von einem Wohnhaus unterscheiden, aber ganz gewiss kann ich dir nicht erklären, ob seine Fassade der späten Renaissance angehört oder aus dem 14. Jahrhundert stammt und weitgehend aus gotischen Elementen besteht«, sagte Ludovico aufgebracht.
»Schon gut«, wiegelte Crestina ab, »schon gut. Das war eine alberne Frage. Ich wollte ja auch lediglich wissen, ob du wirklich auf einem seiner Schiffe fahren willst, mit einem seiner Kapitäne. Ich hatte gedacht, er wollte eines unserer Schiffe mieten?«
»Das war nur ein Vorwand, um wieder mit uns in Kontakt zu treten. Er hat selber Schiffe. Er braucht unsere nicht. Er ist reich.«
»Und alles mit der Fracht von Menschen?«
»Ja, mit der Fracht von Menschen. Mit Sklaven.«
»Kauft er sie hier bei uns in der Stadt?«
Ludovico zögerte.
»Nein, er jagt sie selber. Zum Teil wenigstens. Die Tscherkessen, die sehr begehrt sind, natürlich nicht.«
»Kannst du mir's erklären?«
»Was?«
»Wie man zu seinem Geld kommt?«
»Wenn er sie selber jagt, spart er schon einmal die Gelder für die Jäger. Dann darfst du auf einem Schiff eine bestimmte Anzahl von Sklaven transportieren, für die du die Nahrung berechnest. Wenn du diese Lebensmittel aber fast halbierst, kannst du doppelt so viel Sklaven einladen und später verkaufen. Dann schmuggelt man natürlich, meist Rum. Den lädt man auf dem Weg nach England auf kleinen Inseln ab. Und später bekommt man natürlich das Geld für den Zucker und die Melasse in Liverpool.«
»Und das Geld für die Sklaven in Barbados.«
»Ja, natürlich. Unterschiedlich viel. Für einen, der kochen kann, bekommst du selbstverständlich mehr.«
Wieder war Stille, Ludovico schlenderte unter den Dogenbildern entlang und sah seine Mutter eindringlich an.
»Ich will mein Leben selbst in die Hand nehmen, verstehst du das? Ich will nicht immer tun müssen, was mir irgendwer sagt, was ich tun soll.«
»Du willst also so einer werden, wie du es mir gerade geschildert hast?«
»Was ich für den Augenblick will, ist, dass ich darüber nicht länger reden will. Jetzt und hier«, sagte Ludovico schroff und verließ den Raum.
Als Crestina abends in ihrem Bett lag, hatte sie nur den einen Wunsch, dass von ihren drei Kindern wenigstens eines – Clemens, wie sie hoffte – später einmal den einst geplanten Weg einschlagen würde. Und sie hoffte auch, dass die Begegnungen mit Bartolomeo irgendwann einmal zu einem endgültigen Ende führen würden. Wobei sie weiterhin der Frage nachgrübelte, wie ihr Vetter überhaupt zu diesem Reichtum gekommen war, dass dabei am Ende sogar ein Palazzo stehen konnte. Als Renzo ihn damals auf seinen Schiffen in die Welt hinausgeschickt hatte, hatte er nichts besessen, soweit ihr das bekannt war. Das Geld, das
Weitere Kostenlose Bücher