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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Mindesten.
    »Nun dann, Blidge!«, sagte der Herr der Hauses, als das Rasseln der Kutschenräder auf dem Pflaster vor der Tür zu hören war. »Bitte, teilen Sie Mrs Branagh mit, dass ich heute im Club speisen werde. Eventuell wünscht die Herrin noch auszugehen. Ich denke aber nicht, dass es mir gelingen wird, sie zu begleiten.«
    Blidge verbeugte sich höflich. Sein Herr konnte sich selbstverständlich jederzeit auf ihn verlassen.

Kapitel 4
    Kapitel 4

    Die Kutsche bahnte sich mühsam ihren Weg durch die auch zu dieser Tageszeit verstopften Straßen Londons. Es war mindestens eine Glocke 11 Fahrt zum Reform Club, aber heute würde es sicher noch länger dauern. Einerlei! Ohnehin hatte er sich viel früher als notwendig auf den Weg gemacht. Das Treffen mit Green und einem ausgewählten kleinen Kreis der Whigs war eigentlich erst für die Zeit nach dem Dinner angesetzt, aber Havisham rechnete damit, dass einige seiner Gesprächspartner es wie er vorziehen würden, das Abendessen im Club einzunehmen. Es blieb also noch genug Zeit. Ein Gedanke durchzuckte ihn. Ob er noch im Haus der Bakers vorbeischauen sollte? Konnte er es wagen, dort schon wieder aufzutauchen, ohne Meredith Baker in Verlegenheit zu bringen?
    Ohne noch weiter darüber nachzudenken, beugte er sich nach vorne, öffnete die Klappe an der Stirnwand der Kutsche und erteilte Henry den Befehl, einmal mehr unverzüglich die Great Russell Street No. 64 aufzusuchen.
    ***
    »Ah, Mr Havisham!« Tom, der Hausbedienstete der Bakers, öffnete dem Gast mit nur milder Überraschung. »Ich werde Sie gleich anmelden. Bitte treten Sie doch ein.«
    Havisham sog den nun schon vertrauten Geruch des Hauses nach Blumen und einem sanften Hauch von Gewürzkuchen ein. Sein Herz schlug ein wenig schneller in Erwartung der Begegnung mit Meredith. Gleich würde sie den Salon betreten. Ihre ätherische Erscheinung, die schlichte, unaufdringliche Schönheit ihrer Gesichtszüge – eine Schönheit, die sich vielleicht nicht gleich auf den ersten Blick offenbarte, dafür aber umso tiefer nachwirkte – bezauberte ihn nach wie vor. Genauso wie an dem Tag, als er der Schwiegertochter Joseph Bakers das erste Mal in jenem Wintergarten in Trowbridge begegnet war.
    »Mein lieber Mr Havisham, wie schön, dass Sie uns wieder einen Besuch abstatten.« Ihre Begrüßung war herzlich, wenn sie auch ihre Überraschung nicht ganz verbergen konnte. Er spürte den Anflug von sanfter Irritation, den sie über seinen erneuten Besuch innerhalb weniger Tage empfinden musste. Immerhin war er ein verheirateter Mann. Vielleicht hätte er doch noch warten sollen? Es war ihm sehr daran gelegen, nicht erneut ihr Misstrauen zu erregen. Nicht, nachdem sie ihm schließlich die Mitschuld an der Erkrankung ihres Schwiegervaters vergeben hatte.
    »Wie geht es Mr Baker?«, fragte er ein wenig unsicher.
    Sie lächelte warm. »Es ehrt Sie sehr, Mr Havisham, dass Ihnen das Schicksal meines armen Schwiegervaters so am Herzen liegt. Es geht ihm den Umständen entsprechend und seit ihrem letzten Besuch hat sich nichts verändert. Wollen Sie ihm Ihre Aufwartung machen? Oder darf ich Ihnen zunächst eine Erfrischung anbieten? Er schläft gerade ein wenig und ich möchte ihn nicht aufwecken. Seine Nächte sind nach wie vor sehr unruhig.«
    »Tatsächlich ...?«, meinte Havisham unbestimmt. Es beruhigte ihn, dass es dem Patienten nicht schlechter ging. Wenn ihm Meredith Baker auch versichert hatte, dass seine Schuld an dem Schlaganfall ihres Schwiegervaters nur gering und eigentlich gar nicht vorhanden war – über kurz oder lang wäre es wahrscheinlich ohnehin dazu gekommen –, so hatte er doch alles Menschenmögliche unternommen, um zumindest die äußeren Umstände der Familie Baker zu verbessern. Er wusste es schließlich besser. Hatte nicht er den Fehler begangen, diesen Idioten Armindale mit Nachforschungen über Baker und vor allem dessen missratenen Sohn zu beauftragen? Hatte nicht er eine Katastrophe für die Familie in Kauf genommen? Und das nur, um Baker damit zu einem Verzicht auf eine weitere Kandidatur zu bewegen. Er seufzte ein wenig.
    »Setzen Sie sich doch, Mr Havisham. Tom wird uns Tee bringen. Becky hat auch gerade wieder das Gewürzbrot gebacken, das mein Schwiegervater so schätzt. Eigentlich möchte er nichts anderes.« Meredith Baker bot ihm einen Platz vor dem Kamin an und ließ sich auf der hochlehnigen Bank gegenüber nieder. Sie ließ ihren Blick eine Weile prüfend auf ihrem Gast ruhen und meinte

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