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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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sagen, Hunter, aber ich hatte Angst, was dann passieren würde. Vielleicht hätte sich unsere Familie aufgelöst, und Matt und Mom wären weggesperrt worden.“
    Hunter fühlte mit ihr, weil sie mit ihrem schrecklichen Geheimnis allein geblieben war, verängstigt und verwirrt. Kein Wunder, dass sie so distanziert und verletzlich geworden war.
    „Es tut mir sehr Leid, Cherry“, sagte er. „Ich wusste nichts von alledem. Ich hatte keine Ahnung, dass du mich brauchst. Sonst wäre ich für dich da gewesen. Ehrlich.“
    „Aber er war es nicht“, betonte Matt scharf. „Er hat dich im Stich gelassen. Er hat uns verlassen. Aber ich bin geblieben. Was ich getan habe, habe ich für uns getan.“
    Cherry richtete das Gewehr auf Hunter. „Es war nicht seine Schuld, Hunter. Sei nicht böse auf ihn. Ich war da, ich habe es gesehen. Er wurde dazu getrieben.“ Sie schluchzte. „Diese Frau war schrecklich. Eine billige Hure, die mir den Daddy gestohlen hat.“
    Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Als Avery zurückkam, war ich so glücklich. Ich dachte, wenn sie und Matt wieder zusammenkommen, wenn sie bleibt und ihn einfach liebt, würde alles wieder gut werden. So wie es früher war. Aber jetzt … ich wünschte, sie wäre weggeblieben. Ihr wärt beide weggeblieben. Ihr habt alles kaputtgemacht!“
    „Das ist nicht wahr!“ wandte Hunter rasch ein. „Seit jener Nacht ist nichts mehr in Ordnung. Wie könnte es auch anders sein? Ihr habt alle eine große Lüge gelebt.“
    „Das ist alles nur eure Schuld“, schnitt Matt ihm das Wort ab. „Ihr zwei seid Fremde geworden, Verräter an der Familie und an Cypress Springs.“
    „Frag ihn nach Karl!“ rief Avery ihr mit hoher, verzweifelter Stimme zu. „Karl ist nicht nach Kalifornien gegangen. Er ist hier, in diesem Raum. Frag Matt, ob das stimmt.“ Cherry sah Matt an. „Wovon redet sie?“
    „Ich brauche dich, Schwesterchen. Du kümmerst dich um mich und um uns alle. Verlass mich nicht, wenn ich dich am meisten brauche.“
    „Er hat ihn umgebracht, Cherry!“ Avery zerrte an ihren Fesseln. „Genauso wie er uns alle umbringen wird. Frag ihn nach Karl und der gemeinsamen Sache.“
    „Matt?“ flüsterte Cherry mit zitternder Stimme.
    „Er hat die gemeinsame Sache über die Liebe gestellt, Schwesterchen.“ Matt streckte ihr eine Hand hin. „Das kannst du ihm nicht vorwerfen. Unsere Sache ist das Wichtigste.“
    Matt blickte zum Tisch, als erwarte er die Bestätigung der anderen. Cherry folgte seiner Blickrichtung zu dem Kreis von Stummen am Tisch, das blanke Entsetzen im Gesicht. Sie wich einen Schritt zurück, und das Gewehr begann ihr zu entgleiten.
    „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. Ihre Stimme wurde schriller.
    „Nein!“
    Matt nutzte den Augenblick und sprang vor. Hunter rief eine Warnung und hechtete nach seiner Waffe. Avery schrie auf.
    Ein Schuss übertönte alles. Hunter drehte sich um und sah, wie die Wucht der Kugel seinen Zwilling nach hinten riss. Matt schien einen Moment in der Luft zu hängen, schwerelos, ehe er zu Boden sank.
    Das Gewehr fiel hin, und Cherry sackte neben ihrem Bruder auf die Knie.

59. KAPITEL
    Im nächsten Moment ertönten ringsum Polizeisirenen. Eine Abordnung der Staatspolizei und des Sheriff Departments von West Feliciana stürmte die Fabrik.
    Avery hatte erfahren, dass Lilah und Cherry die Staatspolizei alarmiert hatten. Nach einiger Überredung hatte die sich bereit erklärt, einen Trooper zur Hütte zu schicken. Während des Wartens war Cherry eingefallen, dass ihr Vater immer ein Gewehr im Kofferraum seines Dienstwagens hatte. Sie hatte es an sich genommen und war losgegangen, um Hunter zu unterstützen.
    Avery wusste, dass sie und Hunter ohne Cherrys Hilfe jetzt tot wären, genauso wie Gwen, Buddy, ihr Vater und die vielen anderen.
    Sie war mit Hunter in die Ambulanz des Hospitals von West Feliciana nach St. Francisville gebracht worden. Dort hatte man sie an Gesicht und Kopf mit fünfzig Stichen genäht. Obwohl das CT weder Blutung noch Schwellung des Gehirns zeigte, wollte der Arzt sie zur Beobachtung über Nacht dabehalten. Im Grunde war sie jedoch relativ glimpflich davongekommen.
    Glimpflich. Tränen traten ihr in die Augen. Nichts würde mehr so sein wie früher. Tief in ihr steckte ein Schmerz, den kein Medikament und keine ärztliche Kunst lindern konnte.
    „Hallo, schöne Frau.“
    Sie drehte das Gesicht zur Tür, und das Kopfkissen raschelte unter der Bewegung. Hunter stand angezogen im Türrahmen und

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